Ski- und Schneeparadies Mönchengladbach – wer hat nicht schon davon gehört? Genau, kein Mensch. Unweit des Gladbacher Stadions errichtet man für ein Wochenende eine Schanze, auf der dann Sportler auf Ski und Snowboards mit waghalsigen Sprüngen ihre Stunts präsentieren. Umrahmt wird das Ganze von musikalischem Programm am Abend. Das Arag Big Air Festival bescherte mir am Freitag ein besonderes Highlight: mein erstes Kraftklub Open-Air Konzert bei Minusgraden.
Und es ist schon wieder Winter
Ich habe mit dem Wintersport nichts am Hut. Mir ist das alles zu kalt und zu nass, Schnee empfinde ich eher als Last auf ganzer Linie und die Gebeine mach ich mir regelmäßig auch ohne Skipiste kaputt. So gesehen bin ich also alles andere als die Zielgruppe für ein Ski-Festival. Da es vielen anderen auch so geht, herrschte im Vorfeld durchaus Unklarheit darüber, was bei diesem Festival eigentlich im Vordergrund steht. Der Ski-Sport? Die Konzerte? Eine seltsame Mischung aus Beidem? Die Erwartungshaltung war jedenfalls, vorsichtig ausgedrückt, recht verhalten. Open-Airs um den Nullpunkt herum allein wecken ja schon Zweifel, wenn die Veranstaltung dann noch an Wintersport gekoppelt wird, ist das Aufkommen einiger Fragen meiner Meinung nach durchaus legitim.
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Das erste Mal ohne Bandana beim Kraftklub. Inkognito. |
Mein Grundverdacht, dass die Bands das eigentliche Zugpferd des Wochenendes darstellen, schien sich zunächst auch zu bewahrheiten, als zu Beginn des World Cups der Sparkassenpark noch recht spärlich gefüllt war. Mit der Zeit jedoch strömten immer mehr deutlich als „Wintersportler“ zu identifizierende Besucher an die Schanze. Die waren recht auffällig zwischen den Mädels mit ihren semi-effektiven Mode-Winterjacken und Bommelmützen (hi, i bims). Und da die Wintersport Begeisterten generell ein ganz eigenes Völkchen sind, konnte man ganz oberflächlich schon beobachten, wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Thema Nummer 1 war ganz klar, wie denn wohl die Stimmung werden würde. Gibt es bei so einem Konzert Moshpits? Kennen die Leute Kraftklub überhaupt? Und generell, wie geht die Band mit dieser Location um?
Immerhin war uns warm ums Herz.
Wie ist also so ein Winterkonzert im Freien? Zunächst mal garnicht so kalt wie angenommen. Schon vom ersten Song an gab es viel Bewegung in der Menge, auch wenn die eher der Temperatur geschuldet war. Trotz der Bewegung und dem Tanzen war es allerdings nicht drin, mehr Kleiderschichten abgesehen von Schal und Handschuhen abzulegen. Dementsprechend fühlt es sich hochgradig seltsam an, bewegungseingeschränkt und eingemummelt am Wellenbrecher zu stehen. Man möchte tanzen und feiern wie sonst auch, ist aber dennoch irgendwie hölzern. Eine neue Erfahrung, ganz abseits der schwitzigen Klubs, die sicher mal ganz interessant war, die ich aber niemals gegen einen schweißgebadeten Abend in einer Halle eintauschen würde. Vielleicht eine Typfrage? Wer weiß.
Die Setlist war, entgegen meiner Hoffnungen, leider wenig experimentell. Stark orientiert am Grundgerüst der Toursetlist, allerdings radikal auf die Hits und wenige Songs der KNFN reduziert. Schade eigentlich, ich hatte gehofft, dass man die Gelegenheit nutzt und vielleicht erste Experimente in Hinblick auf die zweite Tourrutsche im Frühjahr macht oder ein paar Songs antestet, die während der Tour eher seltener dabei waren – gerade auch vom neuen Album. Die bekannte Setlist allein macht den Abend an sich aber nicht schlechter, im Gegenteil: Das Publikum ging deutlich besser mit als gedacht und so entpuppte sich das kleine Wintersportfestival zu einem guten Abend, dem die Setlist der Marke „Nummer sicher“ rückwirkend guttat.
Die Location als einzige Innovation
Wie man mehreren Ansagen entnehmen konnte, hatten nicht nur wir Fans vor der Show so unsere Bedenken, in welche Richtung der Abend gehen wird. Auch die Band war sich wohl nicht ganz sicher, wie sich der Abend entwickelt oder ob, Zitat Felix, nach dem World Cup überhaupt noch Leute vor der Bühne stehen. Falsch gedacht, denn zu Beginn der Show des Kraftklubs war der Sparkassenpark deutlich besser gefüllt, als noch zum Wettkampf. Man muss also durchaus sagen, dass wir nicht die Einzigen waren, die nur fürs Konzert nach Mönchengladbach kamen.
Die Show, wie bereits angesprochen geprägt durch von der Tour bekannte Elemente, gewann alleine durch die Outfits der Band eine komische Note. Die Band, eingepackt wie Michelinmännchen mit Mützen, Schals und Handschuhen, hatte sichtlich Mühe gegen die Kälte anzuspielen. Steffen und Karl wurden zwischenzeitlich sogar mit Handwärmern versorgt, um warm genug zum Spielen zu bleiben. Felix, agil wie immer, glänzte vor allem wieder durch den ein oder anderen Texthänger. Langsam kristallisiert sich Blau als Lieblingskandidat für Patzer raus, ganz zum Amusement der ersten Reihe. Ich kann nicht oft genug erwähnen, wie ich jedes Mal aufs Neue loslachen muss. Für ebenso starkes Gelächter hat auch das Abschiedsduett bei Liam gesorgt, von dem ich hoffe, dass er uns im Set auch bei der zweiten Tourrutsche erhalten bleibt.
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Die obligatorische Publikumswanderung bei „Unsere Fans“ |
Alles in allem: ein Abend, der deutlich über den Erwartungen zu punkten wusste und aufgrund der Kälte und der Absurdität des Open Airs alleine einzigartig war. Auch nach über 80 gesehenen Shows können andere Rahmenbedingungen immer noch für Neuheiten sorgen und so einen besonderen Eindruck hinterlassen, auch wenn die Setlist vielleicht nicht ganz so innovativ war. Das Festival an sich fand ich schön gemacht. Die Kombination aus Wintersport und Musikveranstaltung harmonierte besser als befürchtet und publikumstechnisch habe ich auch schon schwächere Abende erlebt. Kritisch erwähnen möchte ich lediglich den Bodenbelag, der sich beim Konzert komplett aufgelöst hat und für die ein oder andere Stolperfalle gesorgt hat. Hier hätte sich der Veranstalter vielleicht besser im Klaren drüber sein sollen, dass ein Rockkonzert mehr Action zu Tage fördert, als zusammengesteckte Kunststoffbodenplatten aushalten.
Jetzt gibt es wieder eine knapp zweiwöchige Pause, ehe es in Berlin im beschaulichen Musik und Frieden weitergeht. Unter dem Deckmantel der Kosmonauten wird es dort sicher nochmal den ein oder anderen schönen Moment zum (fast) Jahresabschluss geben. Im Januar ist mit dem Konzert in Paris nun ebenfalls ein Termin da, der die Wartezeit zum Tourstart klein hält.
Nach der Europatour 2016 gibts also ein kleines Revival in der Stadt der Liebe mit der Band der Liebe…passt!