Ich bin ja selten sprachlos. Aber eine Generalprobe von Rammstein miterleben zu dürfen, war eine Erfahrung, die mich komplett aus den Angeln gehoben hat.
Die LIFAD, der Rammstein-Fanclub, verlost vor jeder größeren Tour an ihre Mitglieder*innen die streng limitierten Plätze für diese öffentlichen Generalproben. So hat man die Möglichkeit, die neue Show schon vorab und mit nur wenigen anderen Glücklichen erleben zu können. Ihr könnt euch sicher mein Gesicht vorstellen, als ich per Mail über meinen Gewinn informiert wurde – eine einmalige Gelegenheit, Rammstein mal ohne die ganz großen Menschenmassen zu erleben. Und dann noch als Start der Open-Air-Saison: Was will man als Fan mehr?
Einmal von ganz weit vorne
Als wir gegen 13 Uhr an der Location, einem riesigen Flugplatz in the middle of nowhere, ankamen, wollten wir eigentlich nur einen kurzen Blick auf das Monstrum von Bühne werfen, das Rammstein seit 2019 ihr eigen nennen. Nachdem uns aber klar wurde, dass wir hier heute eine realistische Chance auf die Frontrow haben, konnten wir es einfach nicht bleiben lassen: Wir positionierten uns inmitten einer Gruppe internationaler Rammstein-Fans vor dem Einlass und legten es darauf an.
Schon seit vielen Jahren träumte ich davon, eine Show von Rammstein in der Frontrow mitzunehmen. Ich habe mir immer ausgemalt, dass die direkte Nähe zum Feuer und der Bühne nochmal eine ganz andere Art von Erlebnis ist, auch wenn einem möglicherweise das bombastische Gesamtbild durch die Lappen geht. Aus verschiedenen Gründen hat das nie geklappt, außerdem bin ich mindestens einmal pro Tour mit meinem Vater vor Ort, den ich dann doch nur schwerlich für einen unkomfortablen Tag vor einem Stadion begeistern kann.
Nun, das Glück war in Prag mit uns und nach zwei Jahren Pandemie bin ich beruhigt, dass es um meine Qualitäten im Sprint offenbar besser steht, als befürchtet. Wir ergatterten ein Plätzchen an meinem persönlichen sweet spot, direkt zwischen Till und Richard. So richtig realisiert habe ich aber selbst da noch nicht, was sich um mich herum ereignet. Ich stand ungläubig vor diesem Mammut von Bühne, habe jeden Zentimeter bestaunt und hatte das Gefühl, nicht vorbereitet zu sein, auf das was da gleich kommt. Ich sollte recht behalten.
Eine Band, die manchmal sogar aus den Rollen fällt
Schon als das Rammstein-Logo theatralisch zu Händel gehisst wurde, war die Stimmung einfach nur elektrisierend. Ich schätze, es waren an die 350 Gewinner*innen in der Feuerzone: Die ersten fünf Reihen waren dicht besiedelt und dahinter standen die Leute vereinzelt in kleinen Grüppchen beisammen. Für die meisten dürfte diese Show das erste Konzert nach einer langen Durststrecke gewesen sein. Das hat man gemerkt, denn die Gänsehaut und stellenweise auch das Pipi in den Augen waren ein Kollektiverlebnis.
Von der ersten Sekunde an herrschte eine sagenhafte Atmosphäre, bei der man auch der Band angemerkt hat, wie ausgehungert sie nach diesem direkten Kontakt mit den Fans war. Ich hatte im Vorfeld gehofft, dass die Fanclub-Shows ein bisschen lockerer werden und dass die Band die familiäre Atmosphäre nutzt, um vielleicht auch ein bisschen zu genießen, anstatt nur die steifen Rollen zu spielen. Keineswegs habe ich allerdings damit gerechnet, dass Till zu einem kompletten Kasper mutiert und wir mehrfach in lauthalses Gelächter ausbrechen müssen.
Auszüge:
– Einmal schubste er aus Spaß an der Freude Flake vom Laufband (was dieser mit einem hörbaren „Verpiss Dich“ quittierte), nur um dann selbst darauf zu laufen. Er fand sich deswegen so lustig, dass er nicht aufhören konnte zu lachen und die zweite Strophe von „Mein Herz brennt“ ordentlich in den Sand gesetzt hat.
– In einer kleinen Pause brachte ein Backliner ein großes Tablett mit Sektgläsern, da Schneider an diesem Tag Geburtstag hatte. Nach einem großen Happy Birthday haben die Bandmitglieder innig gratuliert, den Sekt geext und die Gläser mit vollem Karacho im Graben zerdeppern lassen. Willkommen bei Rammstein!
Wer Konzerte liebt, sollte sich diese Produktion nicht entgehen lassen
Diese ganze Show war fabelhaft. Die Setlist mit Opener und Closer, die gefühlt genau für diese Funktion geschrieben wurden, war extrem stimmig. Diese Produktion (ja, großteils die aus 2019) ist einfach ein Meisterwerk und wer gerne auf Konzerte geht, sollte sich die auf keinen Fall entgehen lassen. Das ist schon größtmögliches Kino.
Ich bin jedenfalls positiv komplett erschlagen von dem, was sich in Prag abgespielt hat. Inga und ich haben uns auf der Heimfahrt weitestgehend angeschwiegen, weil wir noch so gebannt vom Konzert und der Band waren. Einerseits wollten wir über jedes noch so kleine Detail sprechen, andererseits erschien es uns obsolet, ein Wort über dieses gemeinsame Erlebnis zu verlieren. Ja, ein ausgelutschter Spruch, aber das muss man erlebt haben, um es zu verstehen.
Wirklich einzigartig, gerade auch die Band mal so locker zu erleben. Definitiv eine Show, die einen besonderen Platz in unseren Herzen einnehmen wird. Und definitiv war das nicht mein letztes Mal da vorne: Auch wenn ich Rammstein mittlerweile schon im zweistelligen Bereich erleben durfte, war die Rehearsal-Show ein once in a lifetime Ding. Ich bin sehr dankbar, dass Rammstein trotz ihres Welterfolgs noch diese Art von Show für den Fanclub verlosen und dass ich das unwahrscheinliche Glück hatte, das miterleben zu dürfen.
Mit Backofen zum Rammstein-Feeling
Wie sagte Till am Ende? Prag, das war klein aber fein. Und ja, ich kann ihm nur zustimmen. Ich glaube persönlich nicht, dass das 2022 für mich noch einmal getoppt werden kann. Gegen diese Show, dieses stimmige Set, diese besondere Atmosphäre werden alle anspielen müssen.
Achso, was das Feuer angeht, kann ich nur eins sagen: Für Frontrow-Feeling zuhause heizt ihr euren Backofen auf 250 Grad Umluft vor, macht euch einen Rammstein Song eurer Wahl an und streckt dann nach Belieben den Kopf ins Rohr. Das kommt dem Gefühl recht nahe. Bei Songs wie Sonne war es durchaus auch grenzwertig, aber auf eine verdammt geile Art. Lustigerweise stand vor uns im Graben eine Security-Dame, die es nicht mehr ausgehalten hat & sich dann mitten im Song hat austauschen lassen. Hat uns amüsiert, aber ich kann es der Frau nicht verdenken, die war ja nicht so willenlos und hat sich das freiwillig angetan.