
Verrückte Welt, ich habe nun also mein einhundertstes Kraftklub-Konzert besucht. Eine Konzertzahl, die ich bei keiner Band je für möglich gehalten habe und die ich ehrlich gesagt selbst immer noch ein bisschen absurd finde.
Einhundert gesehene Konzerte. Doppel 0. Dreistellig. Vier verrückte Tourerjahre. Aber wie hat das alles eigentlich angefangen?
Storytime: August 2012, irgendwo im Saarland. Die Mittagssonne brennt, der Wodka Lemon ist lauwarm und die Äcker des Rocco del Schlacko Festivals staubig. Gemeinsam mit einer Freundin stehe ich vor der Bühne. Heaven Shall Burn haben mit ihrem Auftritt gerade alles zerlegt und an der Bar tränken wir unsere ausgetrockneten Kehlen. Die Leute strömen in Massen weg von der Bühne und ein deutlich jüngeres Publikum bringt sich in Position. „Was spielt jetzt?“ Ein Blick auf den Timetable sagt: Kraftklub.
Kraftklub? Sind das nicht die Typen mit den Röhrenjeans? (O-Ton)
Nach kurzem Brainstorming entscheiden wir uns im Hinblick auf die vielen Kids, dass es sicher lustig wäre, sich die Band anzuschauen. Ich bin mir sicher, im Forum von diesen Typen gelesen zu haben und will mir selbst ein Bild davon machen. Außer diesem „Liebeslied“ kenne ich keinen Song.
Es kommt anders: Nach den ersten paar Songs bin ich durchaus angetan, will mir aber nach den spöttischen Worten zu Beginn nichts anmerken lassen. Als auch meine Freundin aber anfängt, mitzuwippen und vorschlägt, ein bisschen weiter vor zu gehen, muss sie mich nicht zweimal bitten. Verdammt, diese Röhrenjeans-Typen sind ziemlich gut!
Was geschah dann? Ich legte mir die „Mit K“ zu und hörte mich ein bisschen ein. Mit dem Auftritt bei Rock am Ring 2013 und dem wenige Tage darauf folgenden Support bei den Hosen war für mich dann endgültig klar, dass diese Band was ganz besonderes ist. Und trotzdem hatte der Beschluss, auf der 2014er Klubtour zehn Shows zu fahren, mehr den Sinn, das Tourloch zur Hosen zu füllen. Und heute? Fülle ich Kraftklub-Tourlöcher.
Es ist Zeit, die letzten Jahre ein bisschen zu rekapitulieren: 100 Konzerte in zehn Ländern. Von den schwitzigen Klubs bis hoch zu den größten Hallen des Landes und den noch viel größeren Festivalbühnen. Grob überschlagen davon knapp 65 mal in der ersten Reihe. Ein paar Mal sogar als Tänzerin mit der Lieblingsband auf der Bühne. Ich hab sie als Vorband gesehen, als Hauptband, als Headliner und auch mittags um vier in Ungarn.
Jahrelang war Dresden diese ominöse „beste Show“ die ich je vom Kraftklub sah. Damals tropfte im Beatpol der Schweiß von der Decke und als ich eine Wasserflasche fangen wollte, rutschte sie mir einfach durch meine verschrumpelten Finger. Dann kam Husum im letzten Jahr und die Karten wurden neu gemischt. Die Atmosphäre im Speicher mit nur knapp 200 Leuten war nochmal ein ganz anderes Erlebnis. Mit unserer Italienausfahrt 2015 ist noch eine weitere Show in meinem Herzen, an die ich in 50 Jahren noch denken werde.
Es gab aber auch schwächere Abende. Ja, sogar schlechte Shows – und das ist gut so. Wenn alles immer super und sensationell ist, ist es nämlich im Grunde nie so. Ich finde, die durchschnittlichen Abende zeigen einem umso mehr auf, wie schön die anderen sind und zudem sind sie derart in der Unterzahl, dass die Erwähnung beinahe unnötig ist.
Die einzigen beiden Songs, die ausnahmslos auf jedem meiner besuchten Konzerte gespielt wurden, sind Randale und Liam. Bis heute ist Liam auch der Song, bei dem ich allabendlich die Augen schließe und kurz in mich gehe, genieße, mich freue, glücklich bin. Der Song, bei dem ich mich auf Dorfpartys zum Affen mache und die Leute mit meinem überschwänglichen Tanzstil vom Dancefloor kegle. Der Song, bei dem ich mit Garantie Surfen gehe, wenn ich denn mal hinten mache. Der Song, der mir vermutlich auch nach 500 Konzerten nicht auf die Nerven gehen wird.
Grob überschlagen bin ich an die 30.000 Kilometer gefahren, habe dazu von Auto, über Fernbusse, Züge, Flugzeuge und sogar einer Fähre fast alle Verkehrsmittel genutzt. Vom Atomic Cafe in München bis zum Zenith in München, von der Zwickauer Stadthalle bis ins Atomino – ich war in beschaulichen Städten wie Neuss und in Metropolen wie Paris und London. Kein Weg war zu weit, keine Überstunde zu viel, kein Tag vor der Halle zu lang. Ich hab es gern getan und ich würde es immer wieder so machen, denn:
Kraftklub Konzerte sind zu meiner Wohlfühlzone geworden. Wenn es eine Band schafft, dass du dich in jeder Location des Landes so fühlst, als hättest du gerade das heimische Wohnzimmer betreten, dann läuft Vieles richtig. Noch richtiger läuft es, wenn dieses Gefühl des Zuhause- und Angekommenseins auch nach 100 gesehenen Shows nicht vergeht & man sich immer wieder aufs Neue freut, dabei zu sein.
Was mich das alles gekostet hat? Ich werde es nicht zusammenrechnen. Und ganz im Ernst, das sollte man auch nicht tun. Denn kein Geld der Welt wiegt den emotionalen Gegenwert auf, den die Konzerte für mich darstellen. Die Erinnerungen, Erlebnisse und die Zeit sind unbezahlbar und für kein Geld der Welt zu ersetzen!
Hätte man mir damals auf dem Rocco gesagt, dass ich heute, 6 Jahre später, in den Genuss meines 100. Konzerts komme, ich hätte laut gelacht. Manchmal ist es gut, dass es eben anders kommt als geplant.
Lieber Kraftklub, danke für die beste Zeit meines Lebens.
Von einem netten Festivalauftritt zum Headliner meines Musikherzens. Auf die nächsten 100!







Großartig!
Genial mache weiter mit deinem Blog
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Dein Blog ist wirklich super! �� Bei mir haben Kraftklub auch schon seit ein paar Jahren die Ärzte als Lieblingsband abgelöst. Bei dem ein oder anderen Konzert war ich auch dabei und lese dann gerne deinen Bericht dazu.
Du hast wirklich einen angenehmen Schreibstil, also bitte mehr davon.
Bist du eigentlich mit der Songauswahl bei den Konzerten zufrieden? Gefühlt spielen sie seit Jahren leider immer die gleichen Songs von MIT K und immer die gleichen von IN SCHWARZ.
"Mit unserer Italienausfahrt 2015 ist noch eine weitere Show in meinem Herzen, an die ich in 50 Jahren noch denken werde." Haben Kraftklub in Italien gespielt?
Hey – ja, das haben sie.
Im Rahmen des "Rock im Ring Festivals" in Ritten (Südtirol).
Übrigens wunderschön dort!
Hey! Und danke fürs Kompliment 🙂
100% zufrieden bin ich natürlich nicht, auch wenn ich manche Setlists schon für sehr stimmig empfunden habe. Was du kritisierst, dass immer die gleichen Songs den Weg ins Set finden, finde ich auch schade. Gerade auf nem Klub-Gig würde mich mal eine total ausgefallene Setlist sehr freuen. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass ich die Hoffnungen darauf schon an den Nagel gehängt habe 🙂