Ich spüre, wie sich die Feuchtigkeit durch meine Socken frisst, als ich meine vom Verschleiß gezeichneten Chucks aus der braunen Regenpfütze am Straßenrand ziehe. Ein Auto hupt provokant, während ich mich rasch zurück auf den Gehweg schiebe. Ich hasse das Saarland, denke ich vor mich hin und laufe weiter die 3km bis zur Halle, die nicht mal ansatzweise genügend Parkkapazitäten für ihre Besucher hat. Hätte ich doch nur vorne gemacht, denke ich, als ich in der Ferne die lange Schlange am Einlass sehe.
Wer bei „hinten machen“ an Sex denkt, ist hier falsch.
Okay, die Anreise habe ich jetzt schon ein bisschen traurig dargestellt, aber ich war wirklich angefressen davon, mein Auto mitten in der Pampa Parken zu müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich ganz in der Nähe noch das Fußballstadion befindet, kann und will ich mir absolut nicht ausmalen, wie die Situation dort an Spieltagen aussehen muss.
Wie schön dieser Vorhang ist, wird einem erst mit genügend Abstand klar. |
Aber warum war ich überhaupt erst so spät da? Ich habe mich dazu entschieden, das Wochenende „hinten“ zu machen. Das bedeutet in unserem Slang, dass ich die erste Reihe mal Anderen überlasse und mich in die Menge stürze. In den letzten Jahren war ich, sofern es irgendwie einzurichten war, eigentlich immer vorne auf „meinem“ Plätzchen. Allerdings finde ich in letzter Zeit immer mehr Gefallen am Geschehen in der Menge. Werde ich älter? Liegt es an der Häufigkeit der gesehenen Shows? Wird die Stimmung einfach besser? Bleibt das jetzt so? Ich weiß es nicht, aber momentan hab ich unendlich viel Spaß! Auch wenn ich meinen Parkplatz auf der Pole Position, den das erste Reihe Gebaren mit sich bringt, gerade an solchen Abenden vermisse, so hat auch das Hinten machen seine Vorteile: Die deutlich spätere Anreise und somit mehr Freizeit (oder in meinem Fall: Zeit zum Arbeiten) war am Freitag der ausschlaggebende Faktor.
In der Halle erwartete mich ein weniger trostloses Bild als draußen. Modern, hell und sympathisch erschien die mit Teppich ausgelegte Saarlandhalle. Während ich durch die Gänge schreite und ein bisschen wegen des Dialektes der Einheimischen vor mich hingrinse, höre ich leise Faber, der nun die Blonds als Vorband ablöst. Klingt für mich ein bisschen nach Annenmaykantereit, aber hierzu mehr, sobald ich ihn mal in Gänze gesehen habe.
Saarland asozial, schalalala
Als der Vorhang fällt und Felix den Saal wie jeden Abend zum Springen auffordert, lässt sich die Saarlandhalle nicht zwei Mal bitten. Von der ersten Sekunde an ist der Saal voll dabei, auch wenn sich bei den ersten Songs eher rumgeschoben wird, als effektiv getanzt. Schon bei der ersten Ansage wird ein beachtlicher „Saarland asozial“ Chor aus dem Saal laut. Nach unseren recht verdutzten Blicken, klärt uns ein umsichtiger Saarländer auf: das sei normal, das passiere immer. Okay, er sollte recht behalten. Bei jeder ruhigen Stelle kamen die immer lauter werdenden Chöre auf. Auch wenn sich mir der Sinn ein bisschen entzieht, so muss man die Saarländer dennoch für die Stimmung loben. Das hat schon Bock gemacht!
Willkommen zurück, liebe B-Stage! |
Große Freude gab es auch über das Comeback der B-Stage. Während des ersten Tourdrittels war stets der Wagen dabei, der schon auf der #inschwarz die Band in den Innenraum kutschierte. Dort wird dann ein Song gespielt, ehe die Band sich mit ihrem allseits bekannten Wettcrowdsurfen wieder auf gen Bühne macht. Auf der ersten Tourrutsche dann kam die hochfahrende B-Stage, die ich hier bereits zur Genüge lobte. Bislang hat es uns sehr gewundert, dass dieses doch recht einzigartige Element wieder durch den Wagen ausgetauscht wurde. Umso schöner war es, die Bühne am Freitag wieder hochfahren zu sehen. Egal ob direkt davor oder mit großem Abstand, wenn das Teil zu „Ich will nicht nach Berlin“ hochfährt, ist das ein Highlight in der Show. Gerade auch, weil es ein bisschen an das Video zum Song erinnert.
Liebesschrei & ein nahendes Heimspiel
Jeden Abend sorgen wir für verwirrte Gesichter im Saal. Wenn Felix die Bestückung des Glücksrads erläutert, ist die Jubel-Kulisse eigentlich immer klar verteilt. Verhaltener Applaus bei Irgendeine Nummer, hier und da zustimmendes Gelächter bei der Zigarettenpause, hysterischer Jubel bei Indiedisko und betretenes Schweigen beim Koversong. Nunja, außer wir Tourer, die jeden Abend frenetisch applaudieren und dafür den ein oder anderen schiefen Blick ernten.
Die Cover, sorry, ich meine Kover, sorgen für Abwechslung und sind außerdem stets unterhaltsam, weil selten alles rund läuft. Noch dazu waren mit „Ich liebe Dich“ und dem ganz unbekannten „Schrei nach Liebe“ auf der letzten Tour zwei Songs im Set, die absolute Glanzpunkte markiert haben. Auf dieser Tour zeigte das Glücksrad erst einmal das Kover, nämlich in Magdeburg. (Wer mein Fazit zur Kraftklub Version von Motörhead noch nicht gelesen hat, hier entlang). Große Freude also, als wir in Saarbrücken mal wieder vor Indiedisko verschont blieben und stattdessen zum ersten Mal auf dieser Tour zu Die Ärzte feiern durften. Wenns nach mir ginge, würde ein Kover fest ins Set wandern, aber das ist Geschmackssache – wahrscheinlich bin ich nach Jahren bei den Coververliebten Hosen und ihrem Hang on Sloopy Fanatismus einfach schon geistig abgestumpft.
Nach der Show ging es für mich ins beschauliche Zweibrücken, wo ich mich bei zwei lieben Ringrockern einquartierte und bei Schorle und Jägermeister das Kopfweh des nächsten Tages heraufbeschwor. Ich konnte mir ja gönnen, schließlich stand das (fast) Heimspiel in Mannheim an.