Die Nacht war kurz. Keine Chance, irgendwas von dem nahezu unbegreiflichen Abend im Wembley Stadium zu verdauen, da geht schon der Flug zurück nach Deutschland. Selbstverständlich geht es nicht nach Hause, sondern auf eines der letzten Festivals diesen Sommer: Das Superbloom.
München, die Frisur sitzt, die Überforderung auch
Irgendwie desorientiert stapfe ich durch den Olympiapark und bahne mir den Weg durch das kunterbunt und recht liebevoll hergerichtete Gelände. Obwohl es erst 12 Uhr am Mittag ist, ist das Gelände bereits gut gefüllt und die Menschen schieben sich wurmartig durch die engen Wege des Parks. Ausgeschildert ist leider recht wenig, sodass ich mich mehrfach verlaufe, ehe ich endlich das Olympiastadion ausmache, in dem später am Nachmittag Kraftklub spielen werden.
Meine blasenüberzogenen Füße schmerzen, ich bin totmüde und die Kleidung, die sich in London noch als angenehm erwies, geht in der Münchener Mittagssonne vermutlich bald in Flammen auf. Ein Klassiker, dieser Moment, in dem ich mich mal wieder nach dem Sinn all dieser Strapazen frage. Doch ehe ich den Gedanken zu Ende denken kann, stehe ich schon neben Inga in der ersten Reihe und lasse mich dafür feiern, dass ich eine kalte Cola mitgebracht habe.
Wie es denn in London war, will Inga wissen. Ich habe keine gottverdammte Ahnung, wie ich diesen Abend in Worte kleiden soll und frage stattdessen nach der KMS-Show vom Kraftklub, die ich am Vorabend den Foo Fighters zuliebe ausgelassen habe. Ich bemerke schnell, dass ich die richtige Wahl getroffen habe und bin froh, dass ich nach diesem Abend erstmal Ablenkung bekomme, bevor ich mich mit der emotionalen Aufarbeitung dieses Ereignisses auseinander setzen muss.
Schlagerstrudel mit Roy Bianco: Große Amore!
Den Tag verbringen wir mit einem steten Kampf gegen unsere eigene Übermüdung. Gerade wenn die eine aus dem Tal der Erschöpfung emporkam und wieder zu Kräften fand, ging es mit der anderen wieder bergab. Generische Radiokünstler wie dieser eine Typ, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe und Zoé Wees waren zwar nicht schlecht, aber leider genau das falsche für unsere trägen Leiber. Die Aussicht auf Roy Bianco ließ unsere Herzen da schon eher lachen.
Das mit Roy Bianco ist auch so ein Ding: Nachdem wir den ersten Auftritt inmitten einer Mischung aus Belustigung und Cringe hinter uns brachten, konnte man uns mittlerweile schon mehrfach sehr laut „Bella Napoli“ schmetternd über die Autobahn brettern sehen. Wir träumen kurz davon, welch inneres Blumenpflücken es wäre, wenn die Abbrunzatissima als Support die Kraftklub-Tour versüßen würde, sind uns jedoch sicher, dass sie dafür zu viele Penisse haben. Schade eigentlich, wir hätten gerne die Italien-Fähnchen geschwenkt und dem ewigen Vorurteil entgegengewirkt, dass wir Vorbands aus Prinzip blöd finden.
Die Show von Roy Bianco wird zu einem Highlight des Tages, auch weil das bayerische Publikum die Band textsicher feiert und mit zahlreichen Schlagerstrudeln belohnt. Unser persönlicher Höhepunkt der Show ist der Song „Giro“, bei dem eine Videocollage aus Jan Ullrich und einem Softporno das musikalische Geschehen auf der Bühne untermalt. Generell: Große Liebe für die Stockvideos, das passt einfach perfekt in das ironische Konzept der Band. Der Besuch einer Soloshow wird für uns jedenfalls immer realistischer – mit genügend Vino Rosso, versteht sich.
Der Klub hält den Spaßfaktor oben
Abendsonne, gut gelaunter Klub, stark gefülltes Olympiastadion: Ein gelungener Abend mit dem Klub. Da gibt es auch gar nicht viel zu sagen, weil die runde Setlist trotz ihrer Kürze einfach zu überzeugen wusste. Es ist erstaunlich zu beobachten, was für einen großen Unterschied eine gute Laune bei der Band ausmachen kann. Das überträgt sich einfach spürbar auf einen selbst und dann kann das einfach nur ein runder Abend werden.
Noch vor dem Sonnenuntergang schleichen wir Richtung Auto und sind gegen 23 Uhr Zuhause. Dieses Wochenende war viel, dieses Wochenende war intensiv und dieses Wochenende war auf jeden Fall denkwürdig.