Ein Montag im Büro. Eine Kollegin stellt die obligatorische Frage, auf welchen Konzerten ich mich dieses Wochenende herumtreiben werde. Stolz verkünde ich ein Wochenende auf der Couch, nichts steht an, endlich Entspannung. Die Kollegin entgegnet, dass sie zu Die Ärzte in Mannheim geht, aber ich das ja sicher wüsste, dass die bei mir in der Nähe spielen. Langsam dreht sich bei mir das Rädchen – Stimmt, da war was. Wenn die Berliner schon vor der Haustüre spielen, wäre es doch eigentlich ein Frevel, nicht hinzugehen? Ich lasse mir im Verlaufe des Gesprächs nichts anmerken und kaufe direkt im Anschluss eine günstige Schwarzmarktkarte auf eBay.
Ich und die Ärzte: Es ist kompliziert
Zu den Ärzten und ihrer Musik habe ich ein ausgesprochen nüchternes Verhältnis. Ich kann sicher zwei Drittel der Diskografie aus dem Stehgreif mitsingen, weiß viel über die Bandmitglieder, war jedoch niemals das, was man im Volksmund einen „Fan“ nennen würde. Die zwanghaft auf Spaß gepolte Mentalität, der gleichzeitig aber immer etwas zu ernst wirkende Farin Urlaub, die teils banalen Texte, das endlose Gelaber auf Konzerten – all das hat mich immer davon abgehalten, wirklich auf die Band steilzugehen. Trotzdem habe ich schon immer das Gefühl, bei DÄ nah dran zu sein, weil unwahrscheinlich viele wunderbare Menschen, die ich kennenlernen durfte, eben Hardcore Ärzte Fans sind. Eben diese Leute sind größtenteils verwirrt, als sie mich auf dem Maimarktgelände erspähen.
„Du??? Hier????“ soll zur Standardfloskel des Konzertabends werden. Je häufiger ich das gefragt werde, je mehr frage ich mich selbst, was ich hier eigentlich tue. Denn vergleiche ich die Crowd ganz sachlich mit einer Hosencrowd, so ist schon vor dem Konzert klar, dass das vermutlich eine eher ruhige Angelegenheit werden wird. Aber: Die Setlisten der vorherigen Konzerte lesen sich ganz gut und ich beschließe zunächst ein paar Songs von weiter außen anzusehen.
Eine Crowd zum Abgewöhnen
Am Rande der ersten Welle betrachte ich den Anfang der Show. Der Sound ist kein Kracher, das Bühnenbild ebenfalls nicht, das Publikum um mich herum ist unbeeindruckt. „Himmelblau“ ist zweifelsohne ein fantastischer Opener, der durch den mittlerweile alten Gag mit dem nicht fallen wollenden Kabuki nicht schlechter wird. Trotzdem kommt in Mannheim an diesem Abend keine richtige Stimmung auf, selbst bei einem Klassiker wie „Blumen“ will keine Begeisterung aufkeimen.
Bei Song Nummer sieben, „Fiasko“, beschließe ich dann, der schlechten Stimmung zum Trotz, meinen Körper Richtung Moshpit zu bewegen. Es beginnt eine drei Songs andauernde Odyssee durch den ersten Wellenbrecher, bei der es mir partout nicht möglich ist, etwas anderes als stehende Menschen zu entdecken. Hilfe, wo bin ich hier eigentlich gelandet? Zwar erspähe ich immer wieder einzelne Surfer, aber der Hotspot der Party im vorderen Bereich lässt sich einfach nicht ausmachen. Das ist traurig und leider sehr sinnbildlich für die Atmosphäre dieser Show.
Erst bei den Anfangstönen von „Hurra“ lande ich endlich in einem moshpitartigen Gebilde, das drei Reihen hinter der Frontrow aufklafft und an dessen Rand einige sehr böse dreinschauende Herren ihre Frauen umklammern. Schützend legen sie von Hinten ihre Arme um sie die Damen, und blaffen jeden an der auch nur in die Nähe des Ball gewordenen Menschenbündels kommt. Hach, diese Punkshows heutzutage.
Gute Unterhaltung, aber eben nicht mehr
Doch es sollte besser werden: In diesem Moshpit beginnt alsbald ein riesengroßes Freunde-Treffen und damit fängt die Show endlich an, mir Spaß zu machen. Die Setlist ist genau das richtige für einen Teilzeit-Fan wie mich: Songs, die man zwar kennt und liebt, die aber keine nervigen Überhits sind, gespickt mit ein paar Klassikern. Bemerkenswert, wie gut sich die neuen Songs von Hell und Dunkel sich in diese Best Of-Setlist einfügen. Das habe ich bei den Ärzten mit anderen Alben („Auch“) schon anders erlebt.
Rundum: Ich erlebe zwei schöne Crowdsurfs bei zwei von mir sehr geschätzten Songs, treffe viele nette Leute, lache sogar manchmal über infantile Scherze von Bela B. und Farin Urlaub. Trotzdem stellt mich der Abend nicht ganz zufrieden und ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, warum eigentlich.
Denn grundsätzlich war ich gut unterhalten – aber eben nicht mehr. Ich schätze, da sich mein Sommer weitestgehend auf Bands gestützt hat, die mir sehr viel bedeuten, haben Bands wie die es Ärzte einfach verdammt schwer. Da reicht ein ganz ordentliches Konzert nicht aus, um mich in Begeisterungsströme verfallen zu lassen. Wer weiß, vielleicht wäre das Konzert zu einem anderen Zeitpunkt deutlich besser weggekommen. So war es eben nur ein nettes Programm am Sonntagabend, für das ich aber nicht viel weiter als die gefahrenen 20km reisen würde.