KARGO ist endlich da und der Hype ist groß. Den ganzen Sommer über schwebte das Datum Ende September verheißungsvoll über uns, denn ein neuer Albenzyklus hat zu Beginn immer etwas besonders Magisches. Was gibt es da schöneres, als die neue Platte komplett live hören zu können. Sie spielen sie doch komplett. Oder? ODER?
Bei den vorherigen Promotouren anlässlich der Releases wurde stets das nahezu ganze Album gespielt und abseits von Liam und manchmal Randale die Hits ganz ausgelassen. Häufig waren diese Konzerte die einzige Chance, einige Songs der Platte überhaupt einmal live hören zu können. Das war stimmig und dem Anlass entsprechend, eben etwas Besonderes zum Release des neuen Albums. Doch dieses Mal sollten sich die Setlisten aus den Singles und ein paar alten Gassenhauern zusammen setzen. Was hält man davon?
Die Enttäuschung war groß. Einen Komplettdurchlauf hätte ich mir auch für KARGO gewünscht: Da ein Kraftklub-Song für mich erst live seine volle Schlagkraft entfalten kann und ich die bislang ausgekoppelten Singles ohnehin schon alle live gehört habe, hätte ich mich sehr über einen vollständigen KARGO-Durchgang gefreut. Ja, wir waren enttäuscht darüber. Aber warum macht man das so?
Eine mögliche Erklärung dafür: Man möchte die zahlreichen von Kummer übergelaufenen Neu-Kraftklub-Fans auch mit den Hits vertraut machen und sie so langfristig binden. Dennoch bleibt mir der Sinn einer Album-Promo nur mit bereits ausgekoppelten und mehrfach live-gespielten Songs schleierhaft, da sich die Setlist nicht großartig von den bislang gespielten Festival-Sets unterscheidet. Für mich ein verschenktes Potenzial, aber höchstwahrscheinlich war ich als Ultra nicht die Zielgruppe dieser Promo-Konzerte. Außerdem hatte bereits die stark auf Spotify abzielende Promophase so etwas angedeutet: Fünf Singles im Vorfeld auskoppeln hat ganz augenscheinlich nur den Hintergrund, in möglichst vielen Release Radars platziert zu werden. Conaisseure, die gerne ein musikalisches Gesamtwerk abseits von Auskopplungen betrachten, sind da eher nicht die anvisierte Zielgruppe. Trotzdem schade.
Die Band spielte, analog zum Albumtitel, in einem Zugabteil inmitten des Halleschen Güterbahnhofs. Das sah sehr nett aus, aber man hat dem abschüssigen Gelände durchaus angemerkt, dass es nicht als Konzertlocation angelegt wurde. Bei den wilderen Songs kamen gerne mal große Menschengruppen ins Fallen, was auch dem Kopfsteinpflaster geschuldet war. Dennoch war die Idee raffiniert und dem Anlass angemessen: Eine besondere Location für einen besonderen Tag. Es wirkte weder herbei improvisiert noch lieblos – im Gegenteil.
Natürlich ist bei solchen umsonst-und-draußen Veranstaltungen die Zahl der Opportunist*innen, die so ein Konzert einfach mal mitnehmen, groß. Bei manchen Klassikern wie „Randale“ blickte man da schon in zahllose ratlose Gesichter, die die Songs nicht kannten. Dennoch war die Stimmung ausgelassen, das studentische Publikum in Halle feierte alles und machte auch bei jeder noch so unpassenden Stelle einen Pit auf.
Das war ein bisschen anstrengend, aber da Inga und ich körperlich nicht ganz auf der Höhe waren, waren wir vielleicht einfach auch ein bisschen dünnhäutig. Unseren Spaß hatten wir trotzdem, gerade auch weil die Singles von KARGO live extrem reinballern und eine Show zum Releasedatum ein hervorragender Vorgeschmack auf das ist, was diese Lieder uns in den nächsten Monaten noch alles an Erlebnissen bescheren werden.
Fazit: Ein solider Abend, bei dem setlisttechnisch durchaus mehr drin gewesen wäre. Trotzdem ein großes Herz dafür, die Lieblingsband am Tag des Releases, auf das man monatelang hingefiebert hat, live sehen zu können.