Kontrastprogramm: nach dem kleinen, charaktervollen Volkshaus geht es in die große, unpersönliche Getec-Arena, die ich zuletzt im vergangenen Mai bei einem Hosen-Gig begehen durfte. In meinem Kopf (und ja, da ist viel Wunschdenken dabei) sind die Kraftklubs noch nicht in dieser Hallendimension angekommen. Ein Abend mit gemischten Gefühlen.
Große Halle, großes Glück!
Achja, die Getec Arena. Schon vor der Tour hatte ich diese Show nicht unbedingt als meinen Liebling im Kalender markiert. Die Halle hat mir schon bei den Hosen nicht zugesagt und da ich, wie in der Einleitung schon angedeutet, noch meine kleinen Problemchen mit den Riesenshows des Klubs habe, war ich ehrlich gesagt wenig motiviert. Umso schöner, wenn einen die Band vom Gegenteil überzeugen kann!
Ich persönlich erlebte gestern die perfekte Mischung. Das erste Drittel der Show konnte ich mir, trotz später Ankunft um 19 Uhr, ganz spontan dank zwei sehr lieben Menschen vom Stammplatz ansehen. Nach dem Glücksradsong suchte ich dann das Bad in der Menge, wie ursprünglich auch geplant. Dort erwartete mich überraschenderweise eine ähnlich wilde Meute wie in Zürich. Geschuldet war das auf der einen Seite dem fehlenden Wellenbrecher, was in so einer großen Halle viel ausmacht. So kann jeder nach vorne, der gerade Bock auf Ausrasten hat, ungeachtet der Tatsache, wann er in der Halle einen Platz ergattern konnte. Auf der anderen Seite lag das aber auch an der bemerkenswert gut aufgelegten Band gestern. Da hat es auf ganzer Linie gepasst und diese Energie hat sich gleich zu Beginn auf das Publikum übertragen. Meine Skepsis war wie weggeblasen und die Jungs „hatten“ mich mehr, als in den Bayern-Shows des vergangenen Wochenendes.
IST DOCH IMMER DAS GLEICHE! Eben nicht.
Für Lacher sorgten gestern Abend zwei Songs. Das Glücksrad, was zur Abwechslung mal den Koversong zeigte, brachte uns in den Genuss von Motörheads „Ace of Spades“. Ich habe bestimmt schon 10 Coverbands dieses Lied bis zur Unkenntlichkeit verunstalten gehört und war gespannt, wie ich als alter Motörhead Fan die Kraftklub-Interpretation wohl finden werde.
Nunja, was soll ich dazu sagen? Als Felix die erste Strophe vom Zettel ablas, den Einsatz verpasste und dann mit der Kopfstimme irgendwo jenseits von gut und böse die Strophe sang, war mein erster Gedanke, dass Lemmy sich vermutlich irgendwo verzweifelt im Grabe herumdreht. Die musikalische Interpretation war an sich schon so gewagt, dass die Kopfstimme einfach einen kleinen Tick too much war für meinen Geschmack – Till hat das aber mit seiner wirklich geil gebrüllten zweiten Strophe komplett vergessen gemacht und mich versöhnlich gestimmt. Trotz Felix‘ fragwürdigem Part fand ich das Cover gelungen und nehme es jederzeit gerne wieder.
Der nächste Lacher war mit „Ich will nicht Berlin“ ein altbekannter Klassiker. Da haben sich die Herren irgendwann so verzettelt, dass das Gleichgewicht zwischen Gitarre, Bass und Schlagzeug mal kurzerhand abhanden kam. Als sie sich gerade wieder gefangen haben, kam der nächste Holperer. Irgendwie bin ich da immer ein bisschen schadenfroh, mit der Betonung auf der Silbe „froh“-dass auch bei einem altgedienten Hit mal was schief gehen kann, finde ich süß und vor allem menschlich.
Was sagt uns das jetzt alles? Eine gesunde Portion Skepsis ist zwar legitim, aber nicht immer zwingend gerechtfertigt. Eine große Show kann genauso gut sein, wie eine kleine Show schlecht – es kommt immer darauf an, wie sehr man sich darauf einlässt. Ich hatte gestern Abend einen tollen Abend mit zwei Perspektiven, die mich beide zum gleichen Fazit kommen lassen: mehr davon, ich hab immer noch nicht genug. Magdeburg hat mir mal wieder gezeigt, dass auch wenn sich die Showelemente und die Setlist nicht allabendlich ändern, doch immer wieder einzigartige Komponenten auftauchen.
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei
Absurde Dinge ereignen sich übrigens nicht nur in unseren Tourkutschen, sondern auch auf der Bühne. Wenn die Mädels vor Euphorie BHs auf die Bühne werfen, dann ist das mittlerweile ein normales Bild geworden. Wenn allerdings ein Wiener Würstchen Richtung Bühne fliegt und direkt vor Karls Füßen liegen bleibt, dann ist das durchaus mal was Neues. Karl, sichtlich erfreut über das Gastgeschenk aus dem Saal, machte sofort Till darauf aufmerksam, der sich ebenso zu freuen schien. Auch Steffen konnte seine Erheiterung nicht verbergen. Umso besser wurde es, als keiner das Würstchen von der Bühne entfernte und es ganze zwei Songs liegen blieb, bis Felix es schließlich auch entdeckte und sich beim Saal freundlich für die nette Geste bedankte. Großes Kino!
Zum Thema Ende: heute heißt es auch Abschied nehmen von der Vorband des ersten Tourdrittels, Blond. Mehr dazu in aller Ausführlichkeit morgen, aber so viel vorweg: ich war schon glücklicher darüber, als eine Vorband uns verließ. Generell fühlt sich die Show heute wie ein kleiner Cut an, da es dann erst am Freitag in Saarbrücken weitergeht. Ich weiß noch nicht so recht, was ich von diesem Tourmodell mit den vielen Offdays und den Shows überwiegend am Wochenende halten soll. Auch hier: später mehr.
Jetzt muss ich erstmal meinen Hintern wieder aus dem warmen Auto schwingen und meines Amtes in der Schleuse walten. Ganz schön kalt, dieses Bielefeld, dafür dass es garnicht existiert.*
*ich bin gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens einen Bielefeld-Witz pro Artikel zu machen.