Ich erinnere mich noch an eine Kraftklub-Show in Frankfurt, es muss circa sieben Jahre her sein. Wir verbrachten den Tag vor dem Einlass der Jahrhunderthalle und man warnte mich vor einer lilahaarigen jungen Dame, die wohl sehr schnell sei und auf die man beim Einlass ein Auge haben sollte. Ein paar Jahre später wohnt diese (nun nicht mehr lilahaarige) Dame in meinem Dorf und wir fahren seit 2017 gemeinsam auf Tour. Wie kommt es eigentlich?
Bei den Proben für den Kraftklub-Sommer 2017 trafen Inga und ich wieder auf einander, man kannte sich ja schon vom Sehen. Sie wohnte damals in Berlin und bot mir kurzerhand bei sich Asyl, das ich dankend annahm. Als ich mich eines Abends unter Vortäuschung von Bauchschmerzen früher aus den Proben schlich, um zu einem Hosen-Konzert nach Magdeburg zu fahren, blieb sie allen Ernstes bis mitten in die Nacht wach, um mir um halb drei in der Früh Gnocchi zu servieren. Da wusste ich, wir sind jetzt Freunde.
Ein paar Monate später fuhren wir gemeinsam die erste Tourrutsche: Das war ein großes Experiment, hatte ich mich doch daran gewöhnt, alleine im Auto zu sein und vor allem ohne jegliche Absprachen das tun zu können, wonach mir war. Plötzlich vermüllten wir also zu zweit das Auto, es musste koordiniert werden und die Befindlichkeiten zweier Persönlichkeiten wollten unter einen Hut gebracht werden. Klingt problematisch. War es aber nicht. Stattdessen fand sich die perfekte Symbiose und schnell war klar, dass das nicht unsere letzte Tour gemeinsam sein wird.
Wir flogen gemeinsam nach Argentinien, fuhren eine weitere Tourrutsche und ich schleppte Inga mit meiner Stamm-Truppe zu Rock am Ring. Das war die erste Einführung in mein wunderbares Heimatdorf. Als die Pandemie ihren Schatten über uns legte, war Inga häufig zu Besuch in good old Waghäusel und sie wurde zu einem festen Bestandteil unserer Ring-Gang, die während Corona drei sagenhafte „Rick am Rong“ Festivals veranstaltete. Wie der Herr so will verlor Inga auf einer dieser Veranstaltungen ihr Herz an einen Waghäusler Bub und nun, jetzt wohnt sie hier. Ich finde den Gedanken immer noch schöner, dass sie nur wegen komfortableren Tourens und meinetwegen in Waghäusel residiert, aber jetzt kennt ihr zumindest den faktentreuen Teil dieser Geschichte.
Nun, wie kommt es jetzt, das Inga eine Müllministerin ist? Das ist ganz einfach. Ich bin der größtmögliche Unordnungsstifter, den man sich so vorstellen kann. Das hat zur Folge, dass das Auto schon nach einem Konzert aussieht, als hätte eine vierköpfige Familie darin tagelang gehaust. Da diese Situation dringendst unterbunden werden musste, wurde Inga in den Rang einer Ministerin erhoben, um sich des Müllproblems anzunehmen. Das klappt manchmal ganz gut, an anderen Tagen muss Inga tatenlos dabei zusehen, wie ich einen überdimensionierten Müllsack wochenlang durch die Republik kutschiere, weil ich zu bequem bin, ihn Zuhause in die Mülltonne zu packen. Manchmal verlieren wir auch ganze Produkte im Auto, die dann erst Wochen später wieder unter Sitzen gefunden werden. Manchmal sogar Handys.
Wir planen schon jetzt, das Auto zur Tour möglichst klug einzurichten. Seid ihr auch schon gespannt, wie hart wir scheitern werden? Ich bin mir nicht sicher, ob das die Art von Content ist, an der ich die Menschheit teilhaben lassen möchte: Wenn zwischen verschwitzten Shirts ein angebissenes Bifi auf der Rückbank liegt, die Rasthof-Cola vom Tourstart langsam erste Pilzkulturen beherbergt oder der Dip der Chicken Nuggets auf dem Armaturenbrett landet, dann sieht das vermutlich genauso aus, wie ihr euch das Touren immer vorstellt: Schmuddelig und der Alptraum einer jeden Marie Kondo.
Trotzdem sind wir mittlerweile ein eingespieltes Team, das sich auch durch eine fahrende Müllabfuhr im Ford Fiesta nicht aus dem Konzept bringen lässt. Kommentarlos werden Snacks von der Rückbank geangelt, wenn der Fahrer Gelüste äußert oder Colaflaschen geöffnet, wenn eine Hand am Lenkrad bleiben muss. Nach zwei Jahren Pandemie ist der Gedanke an rund drei Wochen im Auto dennoch etwas beängstigend: Können wir das noch? Verkraften wir das Leben auf der Autobahn noch? Sind wir mittlerweile vielleicht wirklich zu alt? All das wird sich auf der Tour zeigen und ich kann es kaum erwarten, es am eigenen Leib herauszufinden. Ihr werdet es erfahren!