Als das Festival, ein Ableger vom prestigeträchtigen englischen Exemplar, inmitten der Pandemie angekündigt wurde, musste ich nur milde lächeln: Ein Tagesfestival für einen nicht unerheblichen Preis, noch dazu an einem Freitag ziemlich im Süden des Landes. Einziges wirkliches Zugpferd? Metallica mit einer exklusiven Show auf deutschem Boden.
Für mich war zwar sofort klar, dass ich mir Metallica vor der Haustüre nicht entgehen lassen werde, aber auch, dass ich nicht bereit bin, dafür 130 Euro im Vorverkauf zu blechen. Außerdem war dieser kommende Festivalsommer so vollgepackt und voller unvorhersehbarer Wendungen, das es schlicht nicht wirklich planbar war für mich: Selbstverständlich hätte ich Metallica jederzeit für eine der Almanbands sitzen lassen.
Diese fehlende Planbarkeit sollte sich bewahrheiten, so lag ich in der Woche des Festivals mit einer ordentlichen Erkältung flach. Erst am Donnerstag stellte sich die Genesung ein und mir blieben nicht einmal 24 Stunden, um mich um Tickets zu kümmern. Auf eBay schoss ich zwei Karten für je 20 Euro: Ich wusste zwar, dass Julian Metallica abgrundtief verabscheut, aber für 20 Euro würde selbst er nichts zu meckern haben, dachte ich mir. Spoiler: Hatte er doch, aber dazu gleich mehr.
Events vor der Haustüre haben durchaus ihre Vorteile
Einen Urlaubstag war uns dieses bunt zusammengewürfelte Metal-Lineup nicht wert. Zu viele Bands, die uns entweder ziemlich egal waren oder die wir schon häufig gesehen hatten. Da Hockenheim bloße 10 Autominuten von uns entfernt liegt, konnten wir den Tag im Homeoffice also entspannt angehen. Während wir in unserer Mittagspause schon die Insta-Stories des halben Dorfes bestaunten, das sich in Hockenheim versammelte, schlürften wir genüsslich unseren Espresso. Hat auch was, diese Ruhe.
Da sich unser Interesse nur auf Sabaton, Five Finger Death Punch und Metallica (hier einseitiges Interesse meinerseits) konzentrierte, fuhren wir erst am frühen Abend nach Hockenheim und schlenderten über die Rennstrecke. Erstaunlicherweise war das Festival deutlich besser besucht als ursprünglich angenommen – grundsätzlich haben die letzten Jahre ohnehin gezeigt, dass der Hockenheim durchaus ein Besuchermagnet sein kann, wenn er denn mal bespielt wird. Meine Begeisterung für das Veranstaltungsgelände hält sich zwar in Grenzen, aber bei Konzerten quasi-vor-der-Haustüre sollte man das Meckern nun wirklich beibelassen.
Es war an diesem Freitagabend wie eigentlich immer, wenn in Hockenheim etwas stattfindet: Mein gesamtes Dorf pilgert frei nach dem Motto „Hauptsache was los!“ in Massen auf den Ring, ganz gleich, ob die Musik ihnen zusagt oder sie mit Konzerten eigentlich überhaupt nichts anfangen können. Diese Lust am Event ist es oft, die mir im Vorfeld die Laune verhagelt – heute jedoch habe ich mich ausnahmsweise gefreut, zahlreiche bekannte Gesichter vor der Bühne ausmachen zu können.
…und dann kam der Regen.
In illustrer Runde sahen wir ein grundsolides Konzert von FFDP, bei denen ich immer wieder erstaunt darüber bin, wie viele Hits sie mittlerweile ihr eigen nennen. Irgendwie habe ich den Moment verpasst, an dem die Band so richtig groß wurde. Das heißt im Falle von FFDP aber wahrlich nichts Schlechtes: die größeren Produktionen tun ihnen gut, gleiches gilt für das textsichere Publikum. Daumen hoch, gerne wieder.
Daumen hoch gibt es allerdings nicht für die Wetterlage in Hockenheim: Es war Starkregen für den Abend vorhergesagt, wonach es am späten Nachmittag ganz und gar nicht aussah. Sonnenschein, Hitze – da lag der Verdacht nahe, dass der Wetterdienst Fake News verbreitet und der Wettergott diesen Festivalsommer einmal mehr mit einem Segen belegt. Julian vertraute auf die zweite Option und verzichtete darauf, einen Poncho mitzunehmen. Ein fataler Fehler, denn pünktlich zum Ende von FFDP ergoss sich ein Wasserfall über uns, der partout nicht enden wollte. Es goss unerbittlich aus Eimern und binnen Minuten war jeder klitschnass, der keinen Poncho griffbereit hatte.
Auch Julian stand deshalb schon bald das Wasser in der Unterhose, was ihn jedoch nicht davon abhielt, doch noch Schutz unter meinem Poncho zu suchen. Da standen wir nun also beim Konzert von Sabaton, zu zweit unter einem Poncho fröhlich „Primo Victoria“ gröhlend. Ich würde ja sagen, dass das meiner Vorstellung von Romantik entspricht, doch dafür war es an diesem Abend dann schlagartig doch ein bisschen zu kalt.
Seit Wacken 2018 ist „Primo Victoria“ ein heiliger Hit für uns: Nach einem kuriosen Abend in unserem Camp, der nahtlos an das Sabaton-Konzert anschloss, entwickelte sich ein Kult um diesen Song, der bis heute anhält. Es kann durchaus sein, dass „Primo Victoria“ in unserem Camp zehnmal am Tag läuft und wir auch beim zehnten Mal noch immer die Hände in den Himmel reißen, als hätten wir den Track Jahre nicht gehört.
Ein bisschen Soundbrei und dennoch eine gelungene Show
Als wäre die Durchnässung akribisch geplant gewesen, verkündete Julian nun stolz, dass seine nasse Kleidung es ihm leider nicht möglich macht, das Konzert von Metallica anzusehen. Er friere, er möchte nicht krankwerden, er gehe nun leider nach Hause und wünscht uns viel Spaß mit Napster-Lars und Halleffekt-James. Sprachlos sahen wir ihm dabei zu, wie er von Dannen zog. Geschickt eingefädelt.
Die Setlist von Metallica war für Thrash-Metal-Fans der früheren Alben ein wahres Freudenfest (Whiplash als Opener, HALLO!). Der Sound hingegen, gerade zu Beginn, nicht wirklich. Wie so oft kamen die Drums eher matschig daher, wobei sich nicht direkt identifizieren ließ, ob es an Lars Ulrich selbst oder dem Mann am Mischpult liegt. Nach ein paar Songs pegelte sich das Problem, das dem Internet zufolge auch im Stream deutlich vernehmbar war, allerdings ein. Rundum kann ich das Konzert nur loben: Die Band hatte Bock, die Setlist war rund, das Publikum in meiner Nähe textsicher. Da braucht es bei Metallica für meinen Geschmack nicht viel mehr.
Für nen Twanner war das, trotz Regen, schon ein ordentlicher Abend. Das gilt jedoch nicht für den Auslass, bei dem man eng gepfercht rund 1,5km rund um die stockdunkle Rennstrecke tingeln musste. Hier sollte man aus Veranstaltersicht vielleicht einen Blick auf sämtliche andere Veranstaltungen am Ring werfen, bei denen nach Konzertende stets alle Notausgänge geöffnet werden, um ein schnelles Abfließen des Besucherstroms zu ermöglichen. Das wäre auch für das Download die angenehmere und vor allem sicherere Variante gewesen. Nichtsdestotrotz kann ich persönlich über die Orga nicht viel meckern, für mich war das ein rundes Event, das ich bei entsprechendem Lineup (und entsprechender Schwarzmarktsituation) auf jeden Fall wieder besuchen würde.