Was sind schon prunkvolle Shows in generischen deutschen Großstädten, wenn man die Lieblingsband auf einem Berg in der Schweiz sehen kann? Es waren schon immer die eher kuriosen Shows, für die wir uns begeistern konnten. Schon im Vorfeld waren die Erwartungen an den Auftritt am Gurten hoch und wir sollten nicht enttäuscht werden. Was für einen enormen Unterschied es ausmacht, wenn eine Band mal besonders gute Laune hat, sollte uns unser kleiner Ausflug ins Nachbarland zeigen.
36 Grad und es wird noch heißer

Ach, die Schweiz. Es ist ja immer so eine Sache mit den Shows dort: Tickets und Verpflegung kosten ein halbes Monatsgehalt, eine Mautplakette braucht man auch noch und dann ist das Publikum auch noch besonders ruderaffin, eine Tugend, die man eigentlich auf jedwedem Konzert per Gesetz verbieten sollte. Trotzdem fuhren wir begeistert gen Süden und freuten uns die ganze Fahrt über auf die Reise mit dem Gurtenbähnli, der einzigen Option, das Gurtenfestival ohne Sauerstoffmaske erreichen zu können.
Der Wettergott war offenbar in genauso guter Laune wie wir, denn die Sonne brannte unerbitterlich und von Wolken war auf dem Gurtenberg weit und breit keine Spur. Bei soliden 30 Grad verbrachten wir einen tiefenentspannten Tag in der ersten Reihe, bei dem die Ordner schon früh Erbarmen hatten und uns mit einem Sonnenschirm ausstatteten. Außer uns war da nur ein verrückter Black Eyed Peas Fan, der in einem schwarzen „Dirty Bit“ Pullover tapfer im eigenen Saft schmorte. Von Kraftklub hatte er noch nie gehört.
Das fühlte sich fast nach Urlaub an
Warum wir nicht einfach woanders hingegangen sind, fragt ihr euch? Ja, die Frage ist berechtigt. Da es weder Bands gab, die uns auf dem Festival interessierten noch irgendwelche Stände, die für uns finanziell rentabel gewesen wären, hatten wir faktisch einfach nichts zu tun. Diese Tatsache gepaart mit einer gesunden Portion Paranoia, das wir sonst keinen guten Platz für die Klub-Show bekommen würden, ließen uns in der ersten Reihe unter Sonnenschirmen verharren.

Und ganz so schlimm war das gar nicht: immer wieder schlichen wir an die Wasserstelle, um unsere Kleider und Kopfbedeckungen zu tränken und literweise Wasser in unsere dehydrierenden Körper zu pumpen. Die Zeit bis zum Klub verging im Flug und gefühlt noch in der prallen Mittagssonne kamen die Kraftis schließlich auf die Bühne: Mindestens genauso strahlend wie die Sonne.
Ein überraschender Opener
Wo kommt diese Lockerheit in der Schweiz immer her? Ich hege ja den Verdacht, dass der Klub die Schweiz nicht ganz so ernst nimmt und daher immer besonders unvermittelt aufspielen kann, jedenfalls ist es auffallend, wie smooth die Shows hier von der Hand zu gehen scheinen. Mit Sonnenbrillen, bester Laune und einer gehörigen Portion Spielfreude startet das Set mit einem eher kuriosen Opener.
Hätte man mir vorher gesagt, dass „Wittenberg ist nicht Paris“ mal eine Kraftklub Show eröffnen wird, hätte ich milde gelacht und die Idee als Mumpitz abgetan. Doch dabei machte sich das gar nicht schlecht, wie der Vorhang langsam aufging und man zunächst nur Karl sehen konnte. Klar, für eine Tour ist das vielleicht ein bisschen zu gemütlich, aber grundsätzlich mochte ich diese Art des Intros sehr – in jedem Falle besser als die Variante mit „Unsere Fans“.
Die beste Show des Sommers
Wir kommen in den Genuss der Livepremiere von „Fahr mit mir“, das uns schon in der Studioversion exorbitant gut gefiel und live von uns ebenso zelebriert wird. Es ist schon krass, wie gut die Kargo-Songs live reinlaufen und wie harmonisch sie das Set rund um alte Hits ergänzen. Karl singt souverän den Bill-Part und der Band merkt man auch hier an, wie froh sie darüber ist, dass das „Experiment“ mit Tokio Hotel auch bei den Fans gut anzukommen scheint.
Ich weiß nicht, ob es der frühen Spielzeit oder doch der Sonne geschuldet ist: Heute ist uns irgendwie ganz besonders nach Tanzen. Wir springen, brüllen und genießen einfach nur eine fantastische Sommershow, die gerne noch etwas länger hätte dauern dürfen. Bei „Songs für Liam“ gibt es einen besonders langen Shout der Zeile „Das ist keine Musik – das sind die Black Eyed Peas“, die ja absurderweise später auf der gleichen Bühnen sollten. Wir schauen nun erstmalig zum BEP-Fan im schwarzen Pullover, der zu unserer Überraschung völlig frenetisch das Konzert feiert und die kleine Spitze seitens des Klubs gar nicht wahrzunehmen scheint. Das war die beste Show des Sommers so far, lieber Klub.

Nur wenige Minuten nach Showende sitzen wir schon im Gurtenbähnli und fahren wieder gen Tal. Eigentlich waren wir ja schon ein bisschen neugierig auf die Black Eyed Peas, aber eine Wartezeit von fast zwei Stunden waren sie uns dann doch nicht wert. Vor Mitternacht sind wir wieder Zuhause, nicht ganz so kaputt wie sonst, dafür mindestens genauso glücklich.