Show Nummer drei und wir haben endlich mal Platz zum Tanzen. Geil!
Es gibt Städte und Hallen, auf die freut man sich im Vorfeld der Tour. Lingen gehörte nun nicht gerade dazu, hatten wir bei den vergangenen Tourstopps in dieser Stadt nicht gerade beste Erfahrungen mit dem Publikum und vor allem dem Hallenpersonal gemacht. Dieses Mal gestaltete sich der Abend im Emsland allerdings anders.
Nachdem wir die ersten beiden Shows der Tour dicht an den Wellenbrecher gepresst verbrachten und mehrfach eiskalt von Druckwellen überrascht wurden, die uns gar rechtwinklig über das Barrier bogen, war die Menge in Lingen nicht ganz so kompakt. Das verschaffte uns mehr Platz zum Tanzen, der mir persönlich in den vergangenen Tagen doch ein bisschen gefehlt hat. Schon dieser Faktor schaffte es, dass wir den Abend besonders genießen und unserer hervorragenden Laune auch körperlich Ausdruck verleihen konnten. Es gibt einfach wenig befreiendere Dinge, als sich bei der Lieblingsband die Seele freizutanzen. Vor allem zu neuen Songs.
Kein Gott, kein Staat, nur Tour Du
Eines meiner absoluten Highlights auf der Platte funktioniert auch live hervorragend: „Kein Gott, kein Staat, nur Du“ schlägt bei den Konzerten genau so ein, wie ich es mir beim KARGO-Hören immer ausgemalt habe. Der Song ist für mich ein Paradebeispiel für ein gelungenes Feature, bei dem sich beide Parteien ergänzen und somit einen Sound kreieren, der alleine so nicht möglich wäre. Die poppige Melodie, die dann von Felix‘ „KEIN GOTT“-Rufen unterbrochen wird, geht herrlich nach vorne und wird auch in den Hallen bislang sehr gut angenommen.
Ihr fragt euch vielleicht, wie der Song ohne Mia Morgan überhaupt dargeboten wird? Ganz einfach: Die Damen von Power Plush, die das erste Tourdrittel supporten, übernehmen ihren Part – auf ganz hervorragende Art und Weise. Mit ihren zarten Stimmen, die bestens zum Song passen, gibt es also gleich drei Sängerinnen für die Mia Morgan Parts. Da ist ziemlich viel los auf der Bühne, was dem Song aber nicht schadet, ganz im Gegenteil. Auf jeden Fall ist der Song sehr schnell nicht nur zu einem Highlight auf KARGO, sondern auch auf den Konzerten geworden. Das darf gerne so bleiben!
Das Setlist-Rad dreht sich munter weiter
Auch am dritten Abend hört das muntere Bäumchen-wechsel-Dich auf der Setlist nicht auf. Heute geht es mit „In meinem Kopf“ wieder back to the Kargo-Roots und heute kann ich mich festlegen: Ich halte den Song definitiv für den besseren Opener als „So schön“.
Ein Comeback feiert „Blau“, das in Rostock auf die Auswechselbank verschoben wurde und dort unserer Meinung nach gerne hätte bleiben dürfen. Mit diesem Song ist es ein bisschen kurios, da er zu #inschwarz-Zeiten und der goldenen Ära des Wettcrowdsurfens seinen Weg ins Set fand, dann aber partout nicht mehr verschwinden wollte. Während die Bubble der Leute, die häufiger ihr Unwesen auf KK-Konzerten treiben, dem Song nicht viel abgewinnen kann und ihn eher naserümpfend hinnimmt, gibt es allabendlich Ekstase im Saal, manchmal gar Schilder, die den Song einfordern. Das finde ich extrem spannend und ich kann mir nicht wirklich erklären woran sich diese Diskrepanz in der Einschätzung festmachen lässt. Hat der Song eine Art Verfallsdatum und wird ab dem x-ten Mal hören einfach nervig? Wir sind jedenfalls schon länger immer wieder verdutzt über die Party in der Crowd.
Wie kommt eigentlich KARGO im Saal an?
Das Publikum in Lingen fällt generell positiv auf, wobei es nach Rostock nicht wirklich schwer ist, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dennoch wirkt es so, als würden die KARGO-Songs in der Emslandarena deutlich schlechter ankommen als noch in den zwei Städten zuvor: Bei manchen der nicht ausgekoppelten Songs ist es schon verdächtig ruhig im Saal, selbst bei „Angst“, das in seiner Ausgestaltung eigentlich einen der absoluten Höhepunkte des Sets markiert.
Dennoch ist das symptomatisch für ein Set, in dem man eine komplette neue Platte spielt, auch wenn sie nur 36min Spielzeit hat: Nicht jeder hat dieses Album eben so verinnerlicht, wie wir vielleicht. Nicht jeder kann der KARGO überhaupt etwas abgewinnen. Da wiegt es natürlich schwer, wenn das Vorgänger-Album mit nur einem Song im Set extrem mager abgespeist wird. Ein bisschen mehr Gleichgewicht an der Stelle würde sicher auch die Stimmung noch weiter in die Höhe wuppen, aber wie Felix selbst sagt: Man findet als Künstler eben immer den neuen Output am geilsten. So muss der Klub es eben in Kauf nehmen, das bei manchen Songs die Reaktionen eher verhalten sind. Ich für meinen Teil finde das Set trotzdem sehr rund, auch wenn ich auf 1-2 Songs von KARGO verzichten könnte und dafür lieber „Am Ende“ oder „Fenster“ nähme.
So langsam kommt ein Tour-Groove rein
In Lingen ist das Set mit einer Spielzeit von 2:10h ähnlich dem in Rostock, obwohl sogar ein Song zusätzlich dazu kam. Spannend, wie viel Zeit da offenbar durch Ansagen in Rostock draufgegangen ist – vielleicht auch ein Mitgrund dafür, dass wir alle nicht ganz so happy mit der Show waren. In Lingen sind wir auf jeden Fall Zeuginnen eines äußerst gelungenen Konzerts, bei dem sich die neuen Prozesse langsam auch bei der Band einzuschleifen scheinen.
Nicht nur die Band, auch wir kommen so langsam richtig in den Tourmodus. Erstaunlich, dass man während der Pandemie ganz verdrängt hatte, wie anstrengend Touren ist. Aber klar, man neigt eben zur Romantisierung und blendet Schattenseiten wie lange Nächte auf der Autobahn gerne aus.
Trotzdem kann ich mir gerade nichts Schöneres vorstellen, als mir die Lieblingskapelle am laufenden Band anzusehen. Ab Hamburg kehren wir jetzt der ersten Reihe vorläufig den Rücken und stürzen uns in die Menge. Schon jetzt bin ich mehr als nur gespannt, was die Show von hinten zu bieten hat und ich freue mich, endlich den schwebenden Karl bei Angst zu sehen. Aber darüber dann mehr im Blog aus Hamburg.