Es gibt Tage, da wäre man besser liegen geblieben. Einen solchen erwischte ich gestern.
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Während die anderen den Vormittag in ihre Schlafsäcke eingekuschelt mit einem bitter nötigen Nickerchen verbrachten, hatte ich den Laptop auf dem Schoß und erledigte hastig letzte Bauarbeiten an dieser Internetpräsenz. Als ich meine Arbeit endlich finalisiert hatte und bereit war, den Blog in die große weite Welt zu entlassen, zog er sich ein Update und mein komplettes Design, das durch meinen Haus und Hof Programmierer in stundenlanger Kleinstarbeit umgecodet wurde, ging in Flammen auf. Der Blog sah aus wie ein Hundehaufen und ich nahm ihn nur 30 Sekunden nach Freischaltung wieder offline. Irgendwo zwischen Schreikrampf und Nervenzusammenbruch versuchte ich mich in einer Rettungsaktion, die jedoch scheiterte und mich konsterniert zurückließ.
Resigniert machte ich mich auf den Weg zum Auto, um immerhin die ranzige Jogginghose gegen ein konzerttaugliches Gewand zu tauschen. Als ich wieder zur Halle zurückkehren wollte, war jedoch der Autoschlüssel spurlos verschwunden. Ein kleiner schwarzer Schlüssel, verloren in einem Auto mit schwarzem Interieur und vermutlich begraben unter einem tonnenschweren Berg schwarzer Kleidung. Herzlichen. Ich verfiel in Panik und begann hastig das ehemals halbwegs aufgeräumte Auto auf den Kopf zu stellen. Beutel, Taschen und Rucksäcke wurden ausgekippt, unter Sitzbänke geleuchtet und unter dem Auto gefahndet. Nach 30 Minuten war noch immer keine Spur vom Schlüssel und ich fing wütend an, alle Gegenstände aus dem Auto auf den Parkplatz zu werfen. In meiner Verzweiflung versuchte ich Inga zu erreichen, die mir außer digitalen Beistand aber nichts bieten konnte. Mit Zornestränen in den Augen rauchte ich eine Zigarette und verabschiedete mich von der ersten Reihe – ich würde das Auto bewachen müssen. Dann fiel mir etwas ins Auge. Kurzum: Der Schlüssel steckte in der Zündung. Endgültig fertig mit diesem Tag ging ich zurück zum Einlass.
Meine Laune bescherte mir gestern Kummer
Der Abend, der per se schon unter keinem guten Stern stand, fand sein furioses Finale in einem Ereignis, vor dem ich mich seit Monaten fürchte und das dem Tag endgültig die Kacke-Krone aufsetzte: Gestern wurde tatsächlich ein Kummer-Song performt. Als würde es nicht reichen, das mit „Der Zeit bist du egal“ ein kummeresker Song einen kostbaren Setlist-Platz wegnimmt, wird dieses Projekt nun auch auf einer Kraftklub-Show breitgetreten. Ich hab es ja lange befürchtet und war nach dem Tourstart mehr als nur beruhigt, dass Kiox nun endgültig begraben ist. Sorry für die drastischen Worte, aber eine Trennung von Soloprojekt und Band sieht für mich anders aus und nach einem immens aufgebauschten Abschiedskonzert mit dem Titel „Bye Bye“ nur wenige Wochen später das Gulasch wieder aufzuwärmen finde ich mehr als nur inkonsequent. Und ja, gottverdammt, man kann das Soloprojekt des Sängers seiner Lieblingsband auch einfach kacke finden. Selbst wenn offenbar die ganze Welt es anders sieht. Sorry Felix, hab dich trotzdem lieb, aber deine Solosachen bitte aus dem Klub raushalten. (Fußnote: Inga unterschreibt diesen Passus 1:1, lg)
Aber: Es war nicht alles schlecht gestern! Ignorieren wir also das hochgradig anstrengende Publikum und widmen uns den schönen Teilen des Konzertabends.
An dieser Bühne werde ich noch viel Spaß haben

Habe ich schon erwähnt, dass ich die neue Bühne liebe? Diese Lichtelemente, die in steter Bewegung für jeden Song ein eigenes Setup zaubern, sind mit das Coolste, was ich in jüngerer Konzertvergangenheit sehen durfte. Ohne aufgesetzt oder affektiert zu werden bewahrt die Bühne den Charme der Band und ist trotzdem imposant. Chapeau an den Designer!
Direkt zu Beginn der Show gab es gestern die ersten verdutzten Gesichter in der ersten Reihe, weil man den Opener kurzerhand von „In meinem Kopf“ zu „So schön“ veränderte. Eine interessante Wahl in meinen Augen, weil doch nicht ganz so klassisch auf die 12. Ich bin mir nicht ganz sicher, welche Variante ich besser finde, weil ich beide Songs nicht für typische Opener halte. Meine Tendenz geht aber zu „In meinem Kopf“, weil ich es zu Beginn gerne gleich wild mag. Selbst wenn meine Rippen bereits geschunden sind und jede Berührung mit dem Wellenbrecher schmerzerfüllt zur Kenntnis genommen wird, gibt es einfach nichts besseres, als gleich mit Vollgas in einen Abend zu starten.
Die Laune der Band ist auch am zweiten Abend irgendwo zwischen Klassenfahrt und ADHS zu verorten. Sie sind übertrieben gut drauf, haben mächtig Bock und lachen so viel auf der Bühne wie lange nicht. Das steckt an und sorgt für viele groteske Momente, die den Shows einen besonderen Touch verleihen, der bei den tendenziell eher unpersönlichen Festivals oft ausblieb. Auch heute wird wieder die komplette KARGO gespielt, allerdings in geringfügig anderer Anordnung. Spannend bleibt, ob hier an der ein oder anderen Stelle im Laufe der Tour noch reduziert wird, oder ob das nun so bleibt. Mit einer Spielzeit von 2:20h ist die Show heute nämlich extrem lang, auch wenn es sich zu keinem Zeitpunkt langatmig anfühlt – muss man auch erstmal schaffen.
Ende gut, alles gut

Ich bin großer Fan des letzten Drittels der neuen Show, was an mannigfaltigen Dingen liegt, auf die ich aber erst näher eingehen möchte, wenn ich sie auch aus der Ferne betrachten konnte. Generell habe ich den Eindruck, dass uns bei dieser Produktion Vieles in der ersten Reihe entgeht – sodass ich mich schon jetzt sehr auf die kommende Woche freue, wo für uns überwiegend Moshpit auf dem Programm steht. Trotzdem ist es bei dieser Bühne gleichermaßen amüsant vorne zu stehen, da der kleine Graben und die niedrige Bühne einem beste Sicht auf die kuriosen Ereignisse auf der Bühne bieten.
Zu meiner großen Freude und Erleichterung kehrt man zu dem einzig richtigen Finale zurück: Liam rückt wieder an die letzte Stelle des Sets und ich finde das um Welten besser als noch in Kiel. Schön, dass die Band das Experiment nach nur einem Abend wieder für beendet erklärt hat. Mein Tag kann noch so beschissen sein, eine Show kann mich noch so sehr kaltlassen, aber wenn Liam ertönt, dann haben sie mich einfach immer, mitten im Herz. Liebe dafür.
Besonders herzerwärmend war gestern der Moment, in dem die Haube die Bühne wieder in sich verschlingt: Als der weiße Kubus langsam hinabgelassen wurde, konnte sich die Band nur schwer von ihrem Publikum trennen und unternahm größtmögliche Verrenkungen, um bis zum letzten Zentimeter Sichtfläche noch Grüße hinauszuschicken. Herrlich, diese Akrobatikeinlagen im Stile eines James Bond, gepaart mit schelmisch grinsenden Gesichtern. Vielleicht fand ich die Show ja dann doch ganz okay, obwohl es einfach nicht mein Tag war.