Erinnert ihr euch noch an meinen Tourausblick, in dem ich erklärt habe, dass das lange Warten vor der Halle garnicht so schlimm ist, wenn man die richtigen Kleider trägt und sich ab und zu aufwärmt?
Bazinga, es war eine Lüge. Vom Deutschland-Tourstart, dem Ostwind und einer altbekannten und trotzdem neuen Show.
München: Das Lied von Eis und Feu…Kälte.
Zu Beginn möchte ich euch auf eine kleine Traumreise mitnehmen. Lasst euch darauf ein und versucht mit jeder Faser eurer Existenz zu fühlen, was ich euch schildere.
Stellt euch vor, ihr macht eine Expedition zum Nordpol. So weit euer Auge reicht seht ihr nur das strahlende Weiß von Eis und Schnee und das Funkeln der Eiszapfen, die ein Stück entfernt an den Nadelbäumen der kargen Landschaft hängen. Der frostige Wind bringt das letzte bisschen Feuchtigkeit in eurem Haar in Sekundenschnelle zum Frieren und schon bald habt ihr kleine Eiskristalle darin hängen, die euer Gesicht umrahmen wie eine kalte Hand. Jeder Atemzug, jedes Inhalieren von Luft fühlt sich an, als würde euch ein Weißer Wanderer aus Westeros die Kehle aufschlitzen. Während eure Kleidung jeglichen Effekt verliert, peitscht der Wind gnadenlos mit Speerspitzen aus Eis und Kälte auf euch ein. Als ihr komplett regungslos festzufrieren droht, zwingt man euch dazu, eine Familienpackung Magnum Eis zu essen. Und zwar so schnell es geht, bis auch eure inneren Organe das letzte bisschen Wärme eingebußt haben und ihr auf der Stelle festfriert wie ein abgestorbener Grashalm.
Ein Symbolbild aus dem temperaturtechnisch deutlich humaneren Bamberg. |
Diese Reise zum Nordpol, meine Damen und Herren, fasst meine Erlebnisse des gestrigen Tages in München perfekt zusammen. Ich (und das deckt sich mit den Meinungen der anderen Mädels) erinnere mich nicht daran, dass es jemals vor einem Einlass so kalt war. Nicht mal Zwickau, was uns 2016 auf der Randaletour mit herrlichen 16 Grad minus am Morgen empfing, kann gegen den Ostwind in München mithalten.
Tja, jammer nicht, selbst gewähltes Schicksal werdet ihr jetzt denken. Damit habt ihr natürlich vollkommen recht – aber beim persönlichen Tourstart ist die erste Reihe eben Pflichtprogramm, sibirische Kaltluft hin oder her. Der Tag vor der Halle war zwar anstrengend, aber um dem Konzertbericht vorzugreifen mal wieder absolut lohnenswert.
Vorhang auf, Manege frei: Band mit dem K
Nach den Clubshows, die das kurze Tourloch zwischen den beiden Tourhälften überbrückt haben, fühlte es sich gestern überraschend gut an, im großen Zenith zu stehen und auf den riesigen roten Vorhang zu starren. Diese Freude über die Größe der Halle wird sich in den nächsten Wochen sicher noch legen, aber gestern Abend zumindest standen alle Signale auf grün für die große Show mit dem kompletten Bühnenbild. Der Vorhang, der warum auch immer plötzlich in seiner Gänze mehr glitzerte als jede Discokugel, schafft es einfach immer wieder, auch den letzten Funken Vorfreude aus einem herauszukitzeln und eine ganz eigene Stimmung heraufzubeschwören.
Von vorne lassen sich diese Vorhangbilder einfach schlecht machen – daher Danke an Frank fürs Bild! |
Als gestern in München der Vorhang dann fiel und mit „Hallo Nacht“ das schon auf der ersten Tourhälfte erprobte Intro ertönte, war das wie eine kleine Zeitreise zur ersten Tourrutsche: ein kleiner Film toller Erinnerungen schoss mir in den Kopf und beim Springen zum ersten Refrain bin ich dann auch seelisch zu 100% in der neuen Tour angekommen. Auch wenn ich lange zwiegespalten war, was den Song betrifft, so bin ich mittlerweile absolut von seinen Opener-Qualitäten überzeugt.
Eigentlich möchte ich nicht direkt im ersten Artikel der Tour zu viel von der Setlist spoilern, aber meine Freude über „Sklave“ möchte ich nicht für mich behalten. Ein Song, der mit seinem eingängigen Beat live einfach unglaublich Spaß macht – vor allem, wenn Felix sich ins passende Outfit wirft und den Rest der Band mit einer Peitsche drangsaliert.
Wie bereits häufig betont, bin ich großer Fan von Unfug auf der Bühne und dementsprechend auch von Verkleidungen. Später am Abend gab es noch ein weiteres Highlight der Maskerade zu sehen – dazu dann morgen mehr.
Felix Brummer bittet darum, euer Sklave sein zu dürfen. |
Schickeria oder was?
Die Stimmung im Zenith war aber nicht durchgängig so überschwänglich wie bei mir. Das Münchener Publikum war nicht das wildeste und stellenweise hatte ich den Eindruck, dass der Klub es sogar ziemlich schwer hatte. Gerade bei den Songs vom neuen Album war das Feedback aus dem Saal eher verhalten. Ebenso schwer hatten es die Crowdsurfer, die eher holprig unterwegs waren. Regelmäßig musste man die Leute im vorderen Drittel des Wellenbrechers daran erinnern, dass man die Hände besser hochmachen sollte, wenn von hinten jemand angesurft kommt. In dieser Hinsicht gibt es in den nächsten Wochen also noch ordentlich Luft nach oben, auch wenn ich hier nicht den Eindruck erwecken will, dass der Abend nicht gut war – das war er nämlich in jedem Falle.
Ein amtlicher Start war das gestern – auch wenn ich den Eindruck hatte, dass sich an der ein oder anderen Stelle im Set in den nächsten Wochen vielleicht noch etwas tut. Für mich persönlich war die Setlist, abgesehen von 1-2 Schönheitsfehlern jedoch absolut zufriedenstellend. Auch wenn die ganz großen Überraschungen (leider, aber so zu erwarten) ausgeblieben sind, ist die Vorfreude auf die kommenden Shows nicht geschmälert, im Gegenteil – ich bin mir sogar sicher, dass sich mein Fazit nach Bamberg noch erhärten wird. Ihr wisst, ich sehe mir das gerne öfter an, bis ich mir eine eindeutige Meinung bilde.
In diesem Sinne- wir haben noch gute 1,5 Stunden bis zum Einlass in Bamberg und auch wenn das Thermometer heute -4 Grad anzeigt, ist es deutlich besser auszuhalten. Nach der Randaletour 2016 gastieren die Bois zum zweiten Mal in der Brose Arena und ich bin gespannt, ob das Bamberger Publikum ein bisschen mehr Feuer zu bieten hat, als die Münchener gestern. Ich werde das auf jeden Fall mit einem wachsamen Auge beobachten & euch mein Fazit mitteilen. Jetzt kuschel ich mich noch ne Runde in meinen Schlafsack und lecke die Wunden der ersten Autobahnnacht der Tour – bis Morgen!