Wie könnte man das Kraftklub-Konzertjahr schöner beginnen, als mit einer Show in der Stadt der Liebe? Paris, das schon auf der Europatour 2016 das Tourerherz höher schlägen ließ, war auch dieses Mal wieder Grund für reichlich Vorfreude. Nach Konzerten in sagenumwobenen Städten wie dem malerischen Bielefeld oder der Weltmetropole Neuss im vergangenen Jahr, war es ein herrlicher Kontrast, den Konzerttag in Paris verbringen zu können. Während in Deutschland Friederike das Leben lahmlegte, wurden wir zeitweise sogar von der Sonne verwöhnt.
In einem Taxi nach Paris…
Die Anreise, so könnte man meinen, sollte für mich als Karlsruherin, direkt an der französischen Grenze, relativ entspannt sein. Da ich aber mit der Zugbuchung ewig gebummelt habe und der Stadtverkehr in Paris etwas ist, das man unter jeglichen Umständen tunlichst vermeiden sollte, habe ich mich Tina und Olle angeschlossen, um mich nicht ganz allein im Pariser Chaos zurechtfinden zu müssen. Von Köln aus ging es am sehr frühen Morgen für uns auf der Landstraße nach Paris. Es gibt sicher angenehmere Strecken und so war es für mich Luxus pur, mich auf der Rückbank liegend wie ein Pascha gen Frankreich kutschieren zu lassen. Ich muss sagen- nicht selbst fahren kann auch mal schön sein und hat Sonnenseiten, die mir sonst verborgen bleiben. Danke Tina dafür, ich revanchiere mich dann auf der Tour! <3
Bewusst den Stadtverkehr meidend, haben wir etwas außerhalb im engsten Parkhaus der Welt geparkt und uns den Weg ins Stadtinnere mit den Öffentlichen gebahnt. Obwohl wir zwischenzeitlich vermuteten, am Ende der Welt rauszukommen, gelang die Fahrt besser als gedacht. Nach dem Fiasko auf der Europatour, wo wir ohne Handys planlos im Nirvana strandeten, erreichten wir die Location beinahe in Rekordzeit.
Hier will ich aber betonen, wie viel entspannter es ist, mit dem Auto an die Location fahren zu können. Als Dorfkind, das seit dem 18. Geburtstag jeden noch so kurzen Weg mit dem Auto zurücklegt, sind mir Straßenbahnen einfach suspekt und ich glänze regelmäßig mit Planlosigkeit, wenn es darum geht, sich in einer Großstadt zurechtzufinden. So schön der Gedanke manchmal also sein mag, dass Touren mit dem Zug bequemer und entspannter sei, so unkomfortabel ist der Gedanke der Unflexibilität für mich. Paris hat mir einmal mehr gezeigt, dass mein Auto und ich unzertrennlich sind und das Touren mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch weiterhin die Ausnahme bleiben wird. Hinzukommt die Tatsache, dass wir großes Glück hatten, nicht mit dem Zug gefahren zu sein – denn dank Friederike wären wir vermutlich garnicht erst in Paris angekommen.
Ein Museum? Eine Bibliothek? Eine Galerie?
Was genau die Location eigentlich darstellte, war uns am Mittag nicht unbedingt klar. Die von innen topmoderne Gaité Lyrique war ganztägig geöffnet und so konnten wir uns schon im Vorfeld etwas umsehen. In einem wirklich sehr schönen, alten Gebäude befanden sich Arbeitsplätze, die irgendwie Bibliothekscharme versprühten. Direkt daneben war allerdings auch eine Bar, darunter befand sich ein Shop und an den Seiten ging es in verschiedene Säle. Also auch hier Kontrast zu den deutschen Venues, die in den meisten Fällen nur aus dem obligatorischen großen Raum bestehen.
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La Gaîté Lyrique, direkt im Herzen von Paris. Sehenswert! |
Recht bald erfuhren wir auch davon, dass das deutsch-französische Jugendwerk, welches das Konzert vor Ort veranstaltete, jede Menge Gäste für den Abend eingeladen hatte. Das Konzert sei ausverkauft, was in Anbetracht der leeren Maroquinnerie 2016 wirklich schön zu hören war.
Was uns zunächst noch freute, wich am Abend zunächst der Verwirrung: Während wir in der Einlassschlange standen und irgendwie versuchten, die Zeit totzuschlagen, kamen immer mehr sehr fein gekleidete Menschen aller Altersklassen zum Eingang. Neben Chanel-Kostümen (die vermutlich mehr Kosten als die halbe Tour), Pelzmänteln und Pfennigabsätzen, gepaart mit säuberlich frisierten Dutts, kamen wir uns in unseren Merch-Pullis natürlich überhaupt nicht blöd vor.
Außerdem durften die Gäste vor uns rein. Wir hatten währenddessen Zeit uns auszumalen, wie der 70 jährige Baskenmützenträger wohl beim Crowdsurf aussieht oder ob einem diese Pfennigabsätze Löcher in den Fuß rammen können. Rundum: Skepsis gegenüber dem Gelingen des Konzerts war plötzlich vorhanden. Was war vom Publikum zu erwarten? Kennt man Kraftklub überhaupt oder ist das Konzert nur nettes Zubrot? Wie soll da Stimmung aufkommen?
Glücklicherweise wurde die Schlange mit den „normalen“ Besuchern immer länger und es wuchs der kleine Funke Hoffnung in uns, dass der Abend doch noch was werden könnte. Trotzdem waren wir vollkommen bereit, das französische Publikum zur Not eben aufzumischen. Es war immerhin Paris und der erste Gig 2018, hallo?
Vorprogramm mal anders – Vive la danse!
Der Einlass hatte am Donnerstag seine ganz eigenen Tücken. Obwohl wir mittags schon im Gebäude waren, liefen wir orientierungslos durch den Empfang des Jugendwerkes und fanden die Bühne nicht. Zwischen Stehtischen und Sekt schlürfenden Franzosen irrten wir also, klitschnass vom Regen, der kurz vor dem Einlass einsetzte, unter misstrauischen Blicken der Empfangsbesucher durch das Gebäude. Herrlich, wenn lauter sehr erfahrene Konzertbesucher an ihrer Verwirrung verzweifeln. Zum Glück wurde uns geholfen und wir trudelten ein, während der erste Voract schon loslegte.
Die Vorband-Situation für Paris war dank der sozialen Netzwerke etwas konfus. Wo auf der einen Seite stand, es gibt keinen Support, stand anderswo etwas von einem DJ. Auf Instagram kündigte sich eine Band selbst an. Woanders stand wiederum etwas von Tänzern. Am Ende war es dann eine Mischung aus allem und ich muss sagen, das war überraschend gut! Zwei Pariser Tanzduos hatten kurzweilige und durchaus amüsante Shows dargeboten und zu Beginn kombinierte ein DJ Indiehits mit Gassenhauern der deutschen Sprache. Auf jeden Fall eine schöne, abwechslungsreiche Geschichte die mich definitiv mehr gepackt hat, als so manch Vorband in den letzten Jahren. Interessieren würde mich nun allerdings, ob das vielfältige Vorprogramm auf französischen Konzerten normal ist. Weiß da jemand was?
Le groupe musicale avec le K
Konzerte ohne Wellenbrecher und einem nicht vorhandenen Backdrop stehen prinzipiell schon vorab unter einem guten Stern. Roh, ungeschönt und natürlich mag ich Musik und das Liveerlebnis generell einfach am liebsten. Mit dem Opener „Band mit dem K“ war auch sofort klar, dass jegliche Zweifel an der Feierbereitschaft des Publikums unberechtigt waren: textsicher und wild präsentierte sich das Pariser Publikum, das durchaus mit ein paar Franzosen bestückt war. Neben einigen Irren wie uns, die extra für die Show einen Städtetrip unternahmen, gab es auch super viele Au-Pairs, die in Paris leben und sich sehr über den Besuch der Band freuten.
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Der Ausblick, wenn es keinen Graben gibt und man versucht, eine Nackenstarre zu vermeiden. |
Die Setlist sorgte ebenso für gute Laune. Meiner Meinung nach fanden genau die richtigen Songs von der „Keine Nacht für Niemand“ den Weg ins Programm und ich hoffe, dass sich das auch auf der Tour niederschlagen wird. Vielleicht findet ja auch „Venus“ mal den Weg ins Programm, immerhin wird es ja relativ häufig auf Plakaten gefordert. Die Spannung auf die kommende Toursetlist ist auf jeden Fall groß und ich hoffe, dass auch auf dieser Tourrutsche die Abwechslung beibehalten wird. Gerade auch bei den Songs von den älteren Alben wäre ein bisschen Rotation abseits des Medleys toll. In Paris jedenfalls gab es keinerlei Grund zu meckern, im Gegenteil.
La chanson maintenant….ach, scheiß drauf.
Wie bereits auf der Europatour vor zwei Jahren, erfolgten die Ansagen in akzentgeschwängertem Englisch, gespickt mit ein paar französischen Brocken. Nachdem Felix irgendwann seine englische Ansage einfach verwarf und mit einem „scheiß drauf“ auf Deutsch weitermachte, war vermutlich auch dem letzten im Saal klar, dass die Band absolut Bock hat, auch den letzten im Saal voll und ganz zu vereinnahmen. Und das ist ihnen absolut gelungen!
Die etlichen Stagedives während der Show sprechen Bände. Ist es nicht herrlich, wenn Musik Leute so packt, dass sie auf die Bühne klettern und in die Menge springen? Als bei Liam gefühlt der halbe Laden nacheinander wegsprang, sah man so viele glückliche Gesichter, die einfach nur voll und ganz dabei waren und genossen, was sie da erleben. Für mich selbst war es ein tolles Gefühl, mich nicht nur von der Musik, sondern auch von den Menschen tragen zu lassen. So kurz vor den großen Hallen, wo die Band gefühlt meilenweit weg von einem ist, war es umso schöner, nochmal im kleinen Rahmen das Konzert genießen zu können.
Jeglicher Zweifel aus dem Vorfeld, ob überhaupt Stimmung aufkommen wird und ob denn überhaupt Leute kommen, war also unberechtigt. Die Stimmung war durchweg gut und die Location mit ihrer Modernität ein absolut sehenswerter Rahmen für das Konzert. Alles in allem war das Konzert ein großartiges Warmup für die Tour, die fast schon wieder in den Startlöchern steht. Nach dem Stress, den ich die letzten Wochen so hatte, kann ich mich so langsam richtig freuen und dieser Abend brachte den Stein ins Rollen.
Wieder einmal ging es für mich nach dem Konzert direkt von der Autobahn ins Büro. Wann komme ich eigentlich immer auf diese Scheißideen? Das mit dem Geiz um die Urlaubstage ist ja die eine Sache, sich wie ein zerzauster Straßenbesen durch den Tag kämpfen aber die andere. Seis drum, der Trip war jede qualvolle Sekunde am Schreibtisch wert und ich würde und werde es ehrlich gesagt jeder Zeit wieder tun. Denn nach 14 Stunden Schlaf sieht die Welt gleich anders aus und am Ende überwiegen doch die Erinnerungen an einen tollen Tag in Paris, gemeinsam mit tollen Leuten und einem tollen Konzert. Wenn das Konzertjahr so weitergeht, wie es angefangen hat, wird 2018 groß!
Keine Nacht für Niemand Runde 2: t-30 Tage