Papa-Tochter-Tours zu Rammstein seit 2009: Nur vier Tage nach der Generalprobe verschlug es mich erneut nach Prag, dieses Mal mit ungewöhnlichem Beifahrer.

Wie ich peinlich berührt an einem Autobahn-Picknicktisch Rast machen musste
Wie glücklich mein Vater damals war, als ich 2009 das erste Mal Tickets für eine Rammstein-Hallenshow ergattern konnte. Er war Fan seit den 90ern und hatte es dennoch nie geschafft, ein Konzert zu besuchen. Ein Glück, dass er seinen Spross schon im Kindesalter zum Fan machte und er so ganz unverhofft an Tickets kam. Es war der Beginn einer fabelhaften Reisegruppe, die meiner Mutter mehr als einmal den Nerv raubte, so auch als mein Vater und ich am Tag vor meinem 18. Geburtstag einem Rammstein-Konzert beiwohnten und im Anschluss in einer Kneipe versackten. Als wir früh um 6 dann (am Tag der Feier) gut gelaunt das Haus betraten, war sich meine Mutter bereits sicher, dass die große Party abgesagt werden muss, weil das Geburtstagskind unpässlich ist. Es glich der klischeehaften Nudelholz-Szene, wie sie uns heimtückisch in der Küche auflauerte. Wir lachen heute noch darüber und das Fest wurde dennoch zu einer rauschenden Party. Gute Zeiten.
Auf dieser Tour verschlug es uns zum Auftakt nach Prag: Zunächst hieß es also, gen Osten zu brettern. Ich fahre ja wirklich gerne Auto, aber wie sich herausstellte, ist das alles nur halb so entspannt, wenn der Beifahrer nicht wie sonst Inga ist, die mir liebevoll Getränke reicht, sondern mein Vater. So mussten wir tatsächlich irgendwann eine Rastpause machen, in der die Herren (ein Freund meines Vaters war auch dabei) ihre überdimensionierten Kühltaschen auspackten. Ich musste fast lachen, schmunzle ich doch sonst immer über die Ausflügler, die an den Picknicktischen der Autobahnrasthöfe ihre Alman-Brote verspeisen. So schnell wurde ich also auch einer von diesen verlachten Reisenden. Ich will aber nicht meckern – das vorbereitete Mahl war deutlich dekadenter als die Chipstüten, die Inga und ich sonst so auf der Fahrt zu uns nehmen.
Gesichter, wie man sie sonst nur an Heiligabend bei Kindern sieht
Prag war überraschend schnell erreicht und nach ein paar Getränken in der Innenstadt zog es uns zum Flughafen, wo bereits das wunderschöne Kunstwerk von Bühne auf uns wartete, das Rammstein ihr eigen nennen. Ich kann mich an dieser Bühne einfach nicht satt sehen. So ging es auch meinem Vater, der die Bühne zwar bereits kannte, aber ebenfalls in ehrfürchtiger Betrachtung verharrte. Manfred, der Freund meines Vaters, war aber noch eine ganze Spur verwunderter als wir: Es sollte am heutigen Abend seine erste Rammstein-Show werden. Er war eigentlich eher ein schaulustiger Neugieriger, der nicht ganz so vertraut mit der Diskographie war und sich spontan anschloss, weil wir noch ein Ticket übrig hatten. Als er auch nach einer Stunde mit dem Bestaunen nicht fertig wurde, war mir fast schon klar, was er von der Show halten würde.
Ich wusste ja, was mich erwartet und konnte bei den Signature-Moves der Show einen Blick auf die leuchtenden Augen der Männer werfen, die neben mir standen. Herrlich, diese Begeisterung bei gestandenen Männern, wenn Till bei „Du hast“ mit der Armbrust das Feuerwerk ins Publikum jagt, wenn bei „Sonne“ vor lauter Feuer die Haut im Gesicht zu schmerzen beginnt oder wenn man am Ende von „Deutschland“ aufgrund der enormen Lichter zu erblinden droht. Solche Gesichtsausdrücke sieht man sonst eher an Heiligabend, wenn kleine Kinder ihre Geschenke auspacken dürfen. Rammstein schaffen es, diese Emotion auch in erwachsene Leiber zu transportieren. Schön.

Gerade die letzten sechs Songs sind mein Lieblingspart der aktuellen Rammsteinshow, die in verschiedene Akte unterteilt ist, was wahrscheinlich den meisten Besuchenden aber überhaupt nicht auffällt. Zu Beginn konzentrieren sich die Effekte eher auf Banner und Kabukis, bis dann in einem zweiten Akt Feuerwerkskörper und der Puppenwagen zum Einsatz kommen. Der dritte Akt ist geprägt von viel Feuer, ehe dann im letzten Akt, wenn es dunkel ist, noch eine immense Lichtshow dazu kommt. Dieser letzte Akt beginnt, wenn sich die Band nach dem B-Stage Teil in Schlauchbooten auf den Weg zurück zur Bühne macht und er wird gesäumt von deutlich größerer Lautstärke als zuvor. In Prag hatten wir den perfekten Platz, sodass wir jedes Schlauchboot mittragen konnten und so der Band ganz nah waren. Wieder gab es Heiligabend-Gesichter bei den Männern. Vielleicht auch bei mir.
Nach dem letzten Akt fand ein wieder mal vortreffliches Rammstein Konzert mit „Adieu“ sein Ende, einem Song, der mit Sicherheit schon als Closer geschrieben wurde.
„BESTES KONZERT EVER“ brüllte Manfred, als wir hastig zur U-Bahn liefen. Ja, er hatte recht. Das war schon ganz ordentlich. Während ich die zwei Männer also über die Autobahn kutschierte (ich musste am nächsten Morgen arbeiten und hatte es eilig), hörte Manfred nicht auf, über das Konzert zu sinnieren. Als wir unser Heimatdorf erreichten, hatte vermutlich schon seine ganze WhatsApp-Liste die Bilder und Videos gesehen. Ich habe mich selten so mit jemandem gefreut.